1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kein Zeichen von Demokratie

Sybille Golte8. Oktober 2008

Die gewaltsamen Proteste vor dem Parlament in Bangkok haben nichts mit Demokratie zu tun: Sie verletzen den Willen des Volkes und gefährden die Stabilität in der Region, meint Sybille Golte in ihrem Kommentar.

https://p.dw.com/p/FW4R
Bild: DW
DW-Expertin Sybille Golte
DW-Expertin Sybille Golte

Demonstrationen, Massenproteste, Sprechchöre – so manifestiert sich bisweilen in Diktaturen der Wunsch des Volkes nach mehr Demokratie. Und so mag manch unbefangener Beobachter die seit Wochen andauernden Proteste vor dem thailändischen Parlament mit Volkes Stimme gegen ein korruptes Regime verwechseln. Passend dazu haben sich die meist gelb gekleideten Demonstranten den Namen "Volksallianz für Demokratie" gegeben. Doch mit Demokratie und Volkes Stimme hat das inzwischen blutig eskalierte Spektakel in den Straßen Bangkoks rein gar nichts zu tun.

Mehrheitsvotum der Thailänder wird missachtet

Die Volksallianz hat mit Demokratie nichts im Sinn – sie fordert vielmehr genau das Gegenteil. Schließlich will sie die regierende Partei des 2006 gestürzten Premiers Thaksin entmachten, die erst im Dezember demokratisch gewählt worden war. Damit soll das Mehrheitsvotum der Thailänder zunichte gemacht werden. Einmal ist das fast gelungen. Vor gut einem Monat nahm Premierminister Samak Sundaravej seinen Hut. Sein Nachfolger, der frühere Richter Somchai, gilt als verlässlicher Bürokrat. Doch für die sogenannte "Volksallianz für Demokratie" zählt das Votum des Parlaments, das ihn ins Amt gebracht hat, nichts. Noch bevor er seine Antrittsrede halten konnte, unterstellte man ihm bereits Korruption und Vetternwirtschaft. Der Beweis dafür steht noch aus.

Opposition will Oberschicht helfen

Als Schwager des früheren Premiers Thaksin steht Somchai für die Volksallianz unter Generalverdacht. Die Stimmen der verarmten Landbevölkerung habe er sich mit billigem Populismus erkauft. Das Ziel der Opposition: eine Verfassungsänderung. Die soll der Oberschicht, mit der die Opposition gemeinsame Sache macht, per Gesetz eine parlamentarische Mehrheit verschaffen – ein klares Votum gegen die Demokratie.

Sieg der Straße über die Demokratie?

Die erneute Eskalation in Bangkok lässt Schlimmes befürchten. Niemand wagt derzeit vorherzusagen, was passiert, wenn die Straßenschlachten weitergehen. Möglicherweise rollen wieder Panzer durch die Straßen Bangkoks und beenden das demokratische Intermezzo. Das wäre verheerend und nicht weniger als ein Sieg der Straße über die Demokratie. Somchai und seine Partei mögen Thaksin nahe stehen – sie sind durch ein Mehrheitsvotum in die Regierung gekommen. Es gibt funktionierende Institutionen im Land, die sie kontrollieren, wie das oberste Gericht und das Parlament. Und schließlich gibt es Wahlen, mit denen auch korrupte Populisten wieder aus ihren Ämtern entfernt werden können. Nur mit der Rückkehr der Demokratie kann Thailand wieder das werden, was es früher einmal war.

Auswirkungen auch auf die Region befürchtet

Als Mitglied des südostasiatischen Staatenbundes galt Thailand vor der asiatischen Wirtschaftskrise als "kleiner Tiger auf dem Sprung" – ein Schwellenland mit guten Wirtschaftsaussichten und ein Stabilitätsfaktor in der gesamten Region. Setzen sich die Protestierer durch und stürzen den gewählten Ministerpräsidenten, ist das nicht nur für Thailand schlimm. Eine weitere Militärdiktatur neben Myanmar, dem früheren Birma, innerhalb der ASEAN, des Verbandes südostasiatischer Staaten, würde einen wichtigen Ansprechpartner Europas in Asien schwächen und wäre ein böses Omen für die gesamte Region.