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Politik

Verheerende Folgen

6. April 2018

Carles Puigdemont ist frei. Das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht verwarf den Vorwurf der Rebellion als Grund für eine Auslieferung nach Spanien - ein fatales Urteil, meint Christoph Hasselbach.

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Deutschland Neumünster Freilassung Carles Puigdemont
Bild: Reuters/F. Bimmer

Die Richter begründen ihre Entscheidung damit, der vergleichbare deutsche Straftatbestand des Hochverrats sei nicht gegeben, weil an Puigdemonts Verhalten das Merkmal Gewalt gefehlt habe.

Was hat Puigdemont getan? Er hatte das umstrittene katalanische Unabhängigkeitsreferendum im vergangenen Oktober organisiert, obwohl die Abstimmung von der spanischen Justiz als illegal eingestuft worden war. In der spanischen Verfassung, die nach der Franco-Zeit verabschiedet wurde, ist die Loslösung eines Staatsteils nicht vorgesehen. Es handelt sich dabei wohlgemerkt um eine Verfassung, die auch die autonome Region Katalonien unterzeichnet hat. Bei dem Referendum in Katalonien im Oktober 2017 hatten dann 90 Prozent für die Loslösung von Spanien gestimmt, allerdings haben sich nur 42 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung beteiligt. Die Regionalregierung rief daraufhin einseitig die Unabhängigkeit aus.

Einladung an alle Separatisten

Dieses Verhalten Puigdemonts "wäre in der Bundesrepublik Deutschland nach geltendem Recht nicht strafbar", sagen die Richter in Schleswig. Liebe Separatisten in allen Teilen Deutschlands, die Ihr Euch bisher versteckt habt: Traut Euch! Nehmt Euch Puigdemont zum Vorbild! Den Versuch eines unabhängigen Bayerns, Hamburgs oder eines eigenen Sorbenstaates ist es allemal wert. Von der deutschen Justiz habt Ihr jedenfalls wenig zu befürchten. Und Ihr Separatisten in anderen europäischen Ländern, in Südtirol, Korsika oder sonstwo - versucht es! Wenn es schiefgeht, müsst Ihr Euch nur nach Deutschland absetzen, Deutschland ist Euer sicherer Hafen!

Christoph Hasselbach
DW-Redakteur Christoph HasselbachBild: DW/M.Müller

Die verheerendste Folge des Richterspruchs ist, dass so Vertrauen in die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa zerstört wird. Spanien hatte die Auslieferung Puigdemonts auf der Grundlage des europäischen Haftbefehls beantragt. Dieses Instrument ist das Ergebnis jahrelanger Verhandlungen. Beim europäischen Haftbefehl verzichtet der ersuchte Staat grundsätzlich auf die Untersuchung der Rechtmäßigkeit des Ersuchens. Diese Zusammenarbeit kann aber nur funktionieren, solange sich alle EU-Staaten gegenseitig als Rechtsstaaten anerkennen. Dieses Vertrauen haben deutsche Richter mit ihrem Urteil erschüttert. 

Deutsche Richter binden die spanische Justiz

Für das europäische Recht ergibt sich aus diesem Fall darüber hinaus noch eine weitere Folge, die das spanisch-deutsche Verhältnis schwer belasten wird: Indem das Oberlandesgericht den Haftbefehl nur noch auf den Verdacht der Untreue stützt, nicht aber auf Rebellion, sind sogar den spanischen Justizbehörden die Hände gebunden, sollten sie Puigdemont später doch noch in die Finger bekommen. Sie dürfen ihn dann sogar auf eigenem Staatsgebiet nicht mehr wegen Rebellion belangen, worauf bis zu 25 Jahre Gefängnis stehen, sondern nur noch wegen Untreue, die weniger schwer wiegt. Deutsche Richter machen damit eine juristische Vorgabe in einer rein innerspanischen Angelegenheit - ob beabsichtigt oder nicht.

Auch wenn sich die deutsche Bundesregierung aus gutem Grund zum Urteil aus Schleswig zurückhält - die oppositionelle Linke jedenfalls jubelt, so wie sie Carles Puigdemont die ganze Zeit schon als politischen Verfolgten betrachtet hat. Ausgerechnet die Linke! Die wichtigste Triebfeder des katalanischen Separatismus ist nicht kulturelle Selbstbestimmung - die ist seit Francos Tod vor mehr als 40 Jahren gewährleistet. Der Hauptgrund des Strebens nach Unabhängigkeit ist, dass das reiche Katalonien seinen Wohlstand selbst behalten will, statt die ärmeren Regionen Spaniens mitzufinanzieren, wie es auch in Deutschland durch den Länderfinanzausgleich geschieht. Dass ausgerechnet die Linke derart unsolidarische Tendenzen unterstützt, soll begreifen, wer will. 

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Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik