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Kommentar: Putin geht, um zu bleiben

4. Oktober 2007

Wladimir Putin hat seine Spitzenkandidatur für die Parlamentswahlen angekündigt. Sind damit die Spekulationen um den Nachfolger Putins an der Spitze des Landes beendet? Alexander Warkentin kommentiert.

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Bild: DW

"Who is Mister Putin?" Eine der Antworten lautet: er ist ein wahrer Meister der Vernebelung, Verdunkelung, Ablenkung und Desinformation. Monatelang zwingt er seinen Untertanen eine Diskussion um seinen Nachfolger auf. Mal soll’s der blechern-rasselnde Vize-Premier Sergej Iwanow werden, mal der windelweiche Vize-Premier Dmitri Medwedew. Andere Kandidaturen folgen. Monatelang versichert Wladimir Putin seine absolute Verfassungstreue. Und die russische Verfassung schreibt ihm vor, nach zwei Amtszeiten als Präsident im März kommenden Jahres abzudanken. Sein "Rating" wächst. Verschiedene Umfragen ergeben, dass 75 bis 80 Prozent der Russen Wladimir Putin an der Spitze des Staates behalten wollen. Wie soll das Leben in Russland ohne Wladimir Putin weitergehen?

Putin bestimmt

Und nun kommt die erlösende Botschaft: Putin geht, um zu bleiben. Er bleibt parteilos, ist jedoch bereit, als Nummer 1 der Liste der Partei "Geeintes Russland" an den Parlamentswahlen im Dezember teilzunehmen. Er halte es auch für realistisch, danach den Posten des Ministerpräsidenten zu übernehmen. Aber unter zwei Bedingungen: Erstens muss die Partei "Geeintes Russland einen überzeugenden Wahlsieg erringen. Zweitens muss ein "anständiger, handlungsfähiger, effektiver und moderner Kandidat zum Präsidenten gewählt werden", mit dem er, Putin, im Gespann arbeiten kann.

Was für ein Schmierentheater. Die von Putin geschaffene Partei "Geeintes Russland" hat überhaupt kein Programm außer der blinden Treue zu Wladimir Putin. Ihr Wahlmotto lautet folgerichtig: "Der Plan Putins ist der Weg zum Sieg". Keiner fragt, wie dieser Plan aussieht, alle wissen, was der Sieg bedeutet: die korrupte Staatsbürokratie darf an den Machthebeln und Geldquellen bleiben. "Transparency International" listet Russland auf Platz 143, gleich neben Syrien, Indonesien und der Republik Togo. Und der "anständige, handlungsfähige moderne" Präsident, mit dem Wladimir Putin künftig zusammen arbeiten kann, wird von Wladimir Putin selbst bestimmt.

Vertauschte Rollen?

Bislang war die russische Regierung eine technische Institution. Alle wichtigen Entscheidungen wurden von der Präsidentenadministration getroffen. Künftig könnten die Rollen vertauscht werden. Es ist ein leichtes in der russischen Politik, die längst ein virtuelles Dasein fristet. Virtuelle Abgeordnete sitzen in einem virtuellen Parlament, dass, laut einem Bonmot des Parlamentspräsidenten "kein Ort für Diskussionen ist". Virtuelle Parteien liefern sich einen virtuellen Wahlkampf, dessen Ergebnis längst vom Kreml vorgegeben ist. Alles ist virtuell, real sind nur die Dollarmilliarden aus dem Öl- und Gasgeschäft.

Also geht Putin um zu bleiben? Aber auch das steht noch nicht fest. Auf die Frage "Who is Mister Putin?" gab der russische Autor Viktor Pelewin bereits 2004 in seinem Roman "Das heilige Buch der Wehrwölfe" folgende Antwort: Er ist ein Schamane, dessen Aufgabe es ist, Mütterchen Russland so viel Öl abzuzapfen wie nur möglich. Weniger drastisch ausgedrückt ist Wladimir Putin einfach ein Glückspilz. Seine uneingeschränkte Macht und auch seine Popularität verdankt er einzig und allein den hohen Weltmarktpreisen für Energie. Sollten die Preise fallen, stünde der König nackt da. Und das wird der wahre Meister der Vernebelung, Verdunkelung, Ablenkung und Desinformation nicht zulassen.

Alexander Warkentin
DW-RADIO/Russisch, 2.10.2007, Fokus Ost-Südost