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Nato-Rüstungsstreit:

Bernd Riegert, zurzeit Oslo27. April 2007

Der Streit über das US-Raketenabwehrsystem in Osteuropa hat eine neue Dimension erreicht. Putin erklärte, dass Russland den Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa aussetzen will. Bernd Riegert kommentiert.

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Bild: DW
Porträtfoto von Bernd Riegert


Die amerikanischen Pläne, Basen für ihren Raketenabwehrschild in Europa aufzubauen, stellen rein militärisch betrachtet keinerlei Bedrohung für Russland dar. Insofern hat die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice Recht, wenn sie die russischen Argumente als albern bezeichnet. Politisch gesehen sind die russischen Bedenken gar nicht so lächerlich, sondern sie werden von Moskau geschickt vorgebracht und mit anderen strategischen Fragen vermengt, um die USA und die Europäer in der NATO zu spalten.

Keine Bedrohung für Russland

Der deutsche Außenminister läuft Gefahr, der russischen Strategie auf den Leim zu gehen. Frank-Walter Steinmeier mahnt die USA, Russland zu konsultieren. Das geschieht bereits seit Jahren. Steinmeier mahnt, die offenen Fragen zu klären. Dabei hat die NATO bereits im vergangenen Jahr beschlossen, mit Zustimmung der Bundesregierung, dass gegen die mögliche Bedrohung durch Mittelstrecken- und Langstreckenwaffen aus dem Nahen Osten ein Schutzschild erforderlich ist. Nur wie es genau ausgestaltet werden soll, darüber herrscht noch keine Einigkeit.

Offen ist, ob der Abwehrschild wirklich jemals so funktionieren wird, wie das die USA behaupten. Offen ist die Frage, welche zusätzlichen Systeme die europäischen NATO-Partner brauchen, um ihr Gebiet zu schützen. Offen ist auch, wer das bezahlen soll. Denn die Verteidigungshaushalte der Europäer sind dafür nicht ausgelegt.

Die USA und die NATO haben Russland mehrfach angeboten, bei der Raketenabwehr mitzumachen. Da gibt es keine Geheimniskrämerei und schon gar keine Bedrohung für das nukleare Abschreckungspotenzial Russlands. Der russische Präsident Wladimir Putin hat es vorgezogen, so zu tun, als planten die USA und die NATO etwas ganz Neues, Bedrohliches, Unerhörtes. Das ist einfach nicht der Fall. Vielmehr nutzt Moskau geschickt latent vorhandene Abneigungen in Europa gegen Raketen aller Art, um noch einmal seine Ablehnung der NATO-Osterweiterung ins Spiel zu bringen. Der Kreml will erreichen, dass die NATO auf weitere Aufnahmen etwa von Georgien oder auf dem Kaukasus verzichtet. Die Kosovo-Frage wird ebenfalls als Faustpfand eingebracht.

Vorwand zur Vertragskündigung

Präsident Putin nutzt die Raketenabwehr als willkommenen Vorwand, um endlich den von Russland ungeliebten Vertrag über die konventionellen Waffen in Europa aufzukündigen. Die darin enthaltene Verpflichtung, russische Truppen aus Georgien und Transnistrien abzuziehen, war Putin schon lange ein Dorn im Auge. Es mag sein, dass die USA den Dialog mit Moskau über das Raketenabwehrsystem noch intensiver führen könnten, aber was mehr als eine weit reichende Kooperation kann Washington anbieten? Ein Mitentscheidungsrecht kann Russland nicht beanspruchen.

Und nicht vergessen sollte man, dass Russland an einer eigenen Raketenabwehr gegen mögliche Bedrohungen aus Iran, Pakistan oder China arbeitet. Bei der Abwehr von Kurzstreckenraketen entwickeln die USA und Russland seit Jahren ganz einträchtig kompatible Systeme. Der Kalte Krieg ist ein für allemal vorbei. Das weiß auch Präsident Putin. Er sollte danach handeln.