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Russland im Zwielicht

Cornelia Rabitz7. Dezember 2006

Die britische Polizei bezeichnet den Gifttod des russischen Ex-Agenten Litwinenko nun als Mord. Die Ermittlungen laufen auch deshalb schleppend, weil Moskau nicht kooperiert. Das passt ins Bild, meint Cornelia Rabitz.

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Das Bild Russlands in der Welt könnte schlimmer nicht sein, als es sich zurzeit darbietet: Auftragsmorde, Machenschaften geheimer Organisationen, Kapitalismus in Reinform, auftrumpfendes Gehabe von Politikern und Wirtschaftsführern und, so scheint es, das Fehlen jeglicher Moral. Es ist erschreckend, wenn nicht gar beängstigend.

Was derzeit in Russland geschieht, übertrifft wohl noch das, was in den auch hierzulande so beliebten russischen Kriminalromanen geschildert wird. Kritische Journalisten, Manager, Geschäftsleute oder Geheimdienstler, die sich missliebig gemacht haben, werden erschossen oder vergiftet. Es findet sich offenbar immer jemand, der einen wirtschaftlichen Konkurrenten oder einen politischen Rivalen umbringt.

Politik der Beschwichtigung, Irreführung und Abschottung

Und niemand darf darauf hoffen, dass die Morde zügig aufgeklärt, die Verantwortlichen und Hintermänner zur Rechenschaft gezogen werden. Von wem auch? Die Polizei wird miserabel bezahlt und arbeitet schlecht. Die Repräsentanten der russischen Justiz gehen am Zügel der politischen Macht. Sie verfolgen eine Politik der Beschwichtigung, der Irreführung und Abschottung - wie sich jetzt bei den Ermittlungen im Mordfall Litwinenko wieder gut beobachten lässt. Am Mittwoch (6.12.2006) hat die britische Polizei erstmals nicht mehr von einem ungeklärten Tod, sondern von Mord gesprochen.

Russlands Image ist schwer beschädigt - nicht etwa, weil eine missgünstige westliche Presse eine tendenziöse, die Tatsachen verdrehende Berichterstattung pflegt, wie das von offizieller russischer Seite so gerne behauptet wird. Ausschlaggebend sind vielmehr die inneren Zustände des riesigen Landes, die Widersprüchlichkeiten der russischen Politik, ihre Regellosigkeit, Maßlosigkeit und Willkür. Und nicht zuletzt trägt das Verhalten der politischen Eliten dazu bei, dass in der Welt das Misstrauen wächst gegen den wirtschaftlich mächtigen, ressourcenreichen Riesen.

Wo ist der angeblich so starke Präsident?

Wo sind die Institutionen, die der um sich greifenden Rechtsunsicherheit Einhalt gebieten? Wo die Politiker, die sich energisch dagegen verwahren, dass durch die Eigenmächtigkeiten zwielichtiger Gestalten ein ganzes Land in Verruf gerät? Wo ist das Machtwort eines angeblich so starken Präsidenten?

Die Schattenkrieger aus dem Reich der Geheimdienste führen ein Eigenleben - von Präsident Wladimir Putin persönlich dazu ermutigt und im Zentrum der Macht etabliert. Der Mord an dem Ex-KGB-Mitarbeiter Alexander Litwinenko, ausgeführt mit einer radioaktiven Substanz, zeigt, dass es an Mitteln nicht mangelt. Die russische Politik scheint geradezu infiziert von dunklen Mächten und Machenschaften. Wie zu sowjetischen Zeiten herrscht ein Klima der Verrohung und Brutalisierung, eine Atmosphäre von Angst und Unsicherheit. Einen verlässlichen Handelspartner stellt man sich wahrlich anders vor.

Putin als Opfer seiner eigenen Politik?

Kurz vor zwei wichtigen Wahljahren - 2007 wird das Parlament, 2008 ein neuer Präsident gewählt - präsentiert sich Russland als ein im Inneren instabiler und zunehmend repressiver Staat. Möglich, dass sich derzeit potentielle Nachfolger des Präsidenten in Stellung bringen. Möglich, dass rivalisierende Kreise um die beste Ausgangsposition kämpfen. Die auch außerhalb Russlands agierenden Geheimdienste, die Wladimir Putin politisch gehätschelt hat, haben sich ganz offensichtlich der Kontrolle entzogen. Mit Blick auf den Präsidenten hieße dies: Wladimir Putin wäre am Ende das prominenteste Opfer seiner eigenen Politik.