1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Russland Opposition

Ingo Mannteufel7. Mai 2013

Seit einem Jahr ist Wladimir Putin wieder Russlands Präsident. Die Proteste gegen ihn haben an Kraft verloren. Doch die Lage in Russland ist trügerisch, meint Ingo Mannteufel.

https://p.dw.com/p/18TNT

Vor einem Jahr hat Wladimir Putin erneut das höchste Staatsamt in Russland übernommen. Die Amtseinführung in seine dritte Präsidentschaft war vor einem Jahr von heftigen Protesten in Moskau begleitet. Und auch zum einjährigen Amtsjubiläum gab es Demonstrationen gegen Putin. Doch die Anti-Putin-Opposition in Russland ist deutlich geschwächt und kleiner geworden.

Opposition zerstritten und marginalisiert

Die reale Kraft der Anti-Putin-Opposition in Russland ist ohnehin überschätzt worden - vor allem im Westen. Die soziale Basis der Oppositionsbewegung war von Anfang an relativ klein. Die gezielten politischen Repressionen durch den Staat, aber auch die Zersplitterung der Opposition in radikale und gemäßigte Kräfte haben viele verunsichert, an den Protesten weiterhin teilzunehmen. Eine ausgeklügelte mediale Diffamierungskampagne gegen die Opposition hat zudem ihre Wirkung gezeigt.

Ob als Resultat der inneren ideologischen Zerstrittenheit oder als Folge der Kreml-Strategie ist im Ergebnis egal: Die russische Anti-Putin-Opposition ist letztendlich gesellschaftlich und politisch marginalisiert. Sie hat kein überzeugendes politisches Programm, keine klare Strategie, keine soziale Basis in ganz Russland und schließlich auch kein geschlossenes Führungsteam. Einzelne Lichtgestalten der Opposition wie der Blogger Alexej Nawalny oder der Linksradikale Sergej Udalzow werden mit Anklagen, Hausarresten und dem dauerhaften Damokles-Schwert der Verhaftung in Schach gehalten.

Oberflächlich betrachtet ist es daher richtig, wenn der Kreml das Bild verbreitet, dass sich Russland durch politische Stabilität auszeichnet und Wladimir Putin in seiner dritten Amtszeit als russischer Präsident fest im Sattel sitzt.

Unangenehme Wahrheiten über Putin und seine Kreml-Elite

Doch so einfach ist die politische Lage in Russland nicht. Die Anti-Putin-Opposition stellt zwar gegenwärtig keine Gefahr für Putin im Präsidentenamt dar, weil sie politisch konzeptionslos und gesellschaftlich marginalisiert ist. Doch in gewisser Hinsicht gilt dies auch für Wladimir Putin und seine Führungselite.

Die Verbindung zwischen der großen Masse der Bevölkerung und der Kreml-Elite gelingt nur durch die Person Wladimir Putins, genauer gesagt durch das im Staatsfernsehen verbreitete Image von Putin als dem patriarchalischen Übervater aller Russen, der sich der Sorgen der einfachen Menschen annimmt. Die sind nämlich stark frustriert und unzufrieden mit der sozialen Lage und der Rechtlosigkeit im Alltag. Im Unterschied zu Putin wird die Kreml-Partei "Geeintes Russland" als korrupt angesehen und ihre Funktionäre werden oft als eigensüchtige Karrieristen abgelehnt. Ein Grund übrigens, warum Putin seit anderthalb Jahren am Aufbau einer neuen "gesamtrussischen Volksfront" arbeitet, um sie als neue politische Kraft seiner Herrschaft zu etablieren.

In der Bevölkerung sind Zynismus und eine apolitische Grundhaltung verbreitet, und dies sowohl gegenüber der Anti-Putin-Opposition wie auch gegenüber der Kreml-Elite. Nur Wladimir Putin selbst gelingt es (noch) durch sein Image und seine konservative Rhetorik den Graben zwischen den breiten Massen und seiner Regierungselite zu überbrücken.

Und ähnlich wie die Opposition hat auch Wladimir Putin kein klares politisches Konzept, um die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen Russlands zu meistern. Dies sagen nicht nur oppositionelle Kräfte. Vielmehr kritisieren auch Experten und Vertreter der regierenden Kreml-Eliten ganz offen das Fehlen einer klaren politischen Perspektive für Russland. Die Anzeichen mehren sich, dass in den Fluren der Macht in Moskau gegenwärtig heftig über die weitere politische Ausrichtung Russlands gestritten wird.

Nur Rechtsstaat schafft echte Stabilität

Die politische Lage in Russland ist daher trügerisch: Wer lange eine Scheinstabilität erzeugt, indem er jegliche gesellschaftspolitische Dynamik unterdrückt und nur eine Handsteuerung zulässt, erzeugt damit letztendlich nur umso größere Fragilität. Nur Rechtsstaat und starke demokratische Institutionen schaffen durch das tägliche Austarieren gesellschaftlicher Interessen echte Stabilität. Angesichts der russischen Tradition für starke revolutionäre Ausschläge, die das Land immer nur zurückgeworfen haben, ist zu hoffen, dass im Kreml die Einsicht für die Notwendigkeit einer evolutionären Entwicklung und damit Liberalisierung wächst. Die Alternative möchte man sich nicht ausmalen.

Portrait von Ingo Mannteufel, Programm Osteuropa, Russische Redaktion. (Foto: DW)
Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen RedaktionBild: DW