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Raus aus der Türkei!

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Judith Hartl
24. Juli 2016

In der Türkei werden Universitäten konsequent auf Linie gebracht. Zahlreiche Wissenschaftler werden entlassen, Denunziantentum befördert. Schon bald droht dem Land ein folgenschwerer Brain-Drain, meint Judith Hartl.

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Türkei Universität von Istanbul
Bild: picture-alliance/Rainer Hackenberg

Einschüchterungsversuche von Seiten der türkischen Regierung sind nicht neu. Schon seit Jahren werden Wissenschaftler drangsaliert. Schon vor Jahren begann der türkische Hochschulrat Yök, die Rektoren der Universitäten auszutauschen und mit Wissenschaftlern zu besetzen, die auf Linie sind. Vier blieben übrig, sie wurden jetzt zum Rücktritt gezwungen und mit ihnen fast 1600 Dekane.

Gegen das gesamte wissenschaftliche Personal der Hochschulen wurde ein Reiseverbot verhängt. Niemand darf mehr zu Konferenzen, zu Forschungszwecken, für Stipendien oder privat ins Ausland reisen. Auch die 2014 eingeweihte und sehr erfolgreiche Türkisch-Deutsche Universität (TDU) in Istanbul ist betroffen.

Türkische Wissenschaftler im Ausland sollen schnellstmöglich in die Türkei zurückkehren.

AKP-Gesinnungswächter steigen auf

Klar ist, was jetzt passieren wird: Die Hierarchie-Ebene der Dekane wird mit AKP-Treuen besetzt und die passen auf, was unter ihnen gelehrt wird. Schon jetzt wird zur Denunziation aufgerufen. Wer sich auch nur ansatzweise kritisch äußert, wird abgesetzt. Das alles, um die angeblich von Gülen-Anhängern durchsetzten Unversitäten zu "säubern".

Das ist ein Desaster. Nicht nur, dass viele persönliche Schicksale zu beklagen sind - verzweifelte Akademiker, die vor einem Scherbenhaufen stehen und wissen, dass sie in der momentanen politischen Lage keine Zukunft mehr haben.

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Judith Hartl leitet die Wissenschaftsredaktion der DW

Es ist vor allem für die Türkei mittel- und langfristig eine Katastrophe. Denn das Land wird viele kluge Köpfe verlieren, die für eine moderne, demokratische Türkei unentbehrlich sind: Akademiker, Intellektuelle, Freigeister, Kreative. Sie werden nicht lange zögern, das Land zu verlassen. Auch wenn sie an ihrer Heimat hängen und es ihnen das Herz zerreißt. Doch nur im Ausland werden sie ihre Karriere fortsetzen können, ohne Maulkorb und ohne Angst, wegen der kleinsten kritischen Meinungsäußerung entlassen oder sogar verhaftet zu werden.

Europas Wissenschaft muss sich positionieren

Die Türkei wird intellektuell ausbluten, solange Erdogan an der Macht ist. Dass ihn in absehbarer Zeit das Licht der Einsicht trifft, ist unwahrscheinlich.

Wissenschaftler und Akademiker werden das Land verlassen und die deutsche und europäische Wissenschaftsgemeinschaft muss sich klar positionieren. Nicht nur kritisieren, was da gerade Schlimmes passiert in der Türkei, nicht nur Sorgen äußern, sondern den Betroffenen Unterstützung anbieten. Ihnen klar signalisieren: Ihr seid bei uns willkommen! Denn ihr wertvolles Fachwissen, ihre Ideen und Visionen dürfen nicht verloren gehen wegen einer vorübergehenden Willkürherrschaft.

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