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Politik

Raus mit der "Rasse" aus dem Grundgesetz!

12. Juni 2020

Die Grünen haben vorgeschlagen, das Wort "Rasse" aus dem Grundgesetz zu streichen, weil schon der Begriff diskriminierend und unzeitgemäß sei. Eine gute Idee, meint Volker Witting.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Artikel 3
Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten es gut gemeint, als sie vor 71 Jahren den Begriff "Rasse" in den Artikel 3 der deutschen Verfassung geschrieben haben. Sie wollten ein deutliches Signal gegen den Rassenwahn der Nazis setzen. Richtig so. Nur haben sie sich damals - jedenfalls aus heutiger Sicht - einer kontaminierten Terminologie bedient. Der Begriff Rasse hat längst ausgedient!

Das haben der Präsident der Friedrich-Schiller-Universität in Jena und andere Wissenschaftler noch einmal im vergangenen Jahr klargestellt. Der Begriff "Rasse" sei nichts anderes als ein rassistisches Konstrukt heißt es in ihrer "Jenaer Erklärung". Stattdessen fordern sie dazu auf, den Ausdruck nicht länger zu verwenden und sich gegen rassistische Diskriminierung einzusetzen.

Es gibt nur eine "Rasse" - die Menschen

Die Einteilung von Menschen in "Rassen" hat nach heutiger Erkenntnis also keine wissenschaftlich begründete Grundlage mehr. Deshalb: Raus mit der "Rasse" aus dem Grundgesetz! Die Grünen haben in der hitzigen Rassismusdiskussion eine richtige Debatte zum richtigen Zeitpunkt angestoßen.

Witting Volker Kommentarbild App
DW-Hauptstadtkorrespondent Volker Witting

In Artikel 3 des Grundgesetzes steht, niemand dürfe wegen "seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft" benachteiligt werden. Aber was heißt das? Sind "Schwarze", "Weiße", "Gelbe" homogene Gruppen, "Rassen" oder Typen? Nein, sie sind schlicht Menschen.

Die Hautfarbe oder die Herkunft als Grundlage dafür zu nehmen, verschiedene Gruppen zu definieren, ist unsinnig und willkürlich. Das "Rassen"-Konzept war stets mit gesellschaftlichen und politischen Interessen verbunden und bedeutet im Kern, dass äußerliche Merkmale von ethnischen Gruppen mit Wesen und Eigenschaften dieser Menschen verknüpft werden. Das hat zu oft in der Geschichte zu Unterdrückung, Diskriminierung und Gewalt geführt. Das Selbstbild der weißen Europäer stand lange Zeit stellvertretend für "überlegen" und "zivilisiert". Das Ergebnis: Sklaverei, Vertreibung, Völkermord.

Ein starkes Symbol im Kampf gegen Rassismus

Würde man den Begriff "Rasse" aus dem Grundgesetz streichen, wäre das natürlich nicht das Ende von institutionellem oder alltäglichem Rassismus in Deutschland. Es wäre aber ein starkes Symbol im Kampf gegen Rassismus, den viele Menschen - auch in Deutschland - täglich erleben.

Das Ausland hat es vorgemacht: In Frankreich, Finnland und Schweden hat man den Begriff "Rasse" längst aus den Verfassungen gestrichen. Und erst Anfang Mai hat das auch das Bundesland Bremen so gemacht. Dort ist in der Landesverfassung nun von "rassistischer Diskriminierung" die Rede.

Die Union sollte sich einen Ruck geben

Jetzt ist die Bundesrepublik an der Reihe. Dazu müsste sich eigentlich nur noch die konservative Union einen Ruck geben - führt sie doch das "C" im Namen, das für christlich steht. Das wäre auch deswegen gut, weil dann die in Teilen rassistisch denkende AfD bloßgestellt wäre. Sie ist nämlich die einzige Partei, die sich geschlossen und rigoros gegen die Streichung des rassistischen Begriffs "Rasse" wendet - diesem Unwort aus der Mottenkiste.

Volker Witting
Volker Witting Politischer Korrespondent für DW-TV und Online