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Politik

Reden statt Raketen

9. Januar 2018

Das erste direkte Gespräch zwischen Nord- und Südkorea seit zwei Jahren bringt Bewegung in den zementierten Dauerkonflikt. Die USA und China sollten diese Annäherung tatkräftig unterstützen, meint Alexander Freund.

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Südkorea Nordkorea Gespräche in Panmunjom
Bild: Reuters/Korea Pool

Was alles möglich ist, wenn man nur will: Nach Monaten der Kriegsrhetorik verständigen sich die verfeindeten koreanischen Bruderstaaten überraschend auf ein direktes Gespräch - und es bringt sogar was: Der Norden schickt ein paar Athleten samt Entourage zu den Olympischen Winterspielen nach Südkorea! Möglicherweise werden beide Teams sogar bei der Eröffnungs- und Schlusszeremonie Seite an Seite ins Stadion einziehen, das gab es bei den Asienspielen 2002 im südkoreanischen Busan schon einmal und verzückte damals die Welt. Der Sport als Brücke, da geht den Funktionären das Herz auf.

Hier geht es aber nicht nur um Sportdiplomatie. Viel wichtiger ist, dass die Bruderstaaten nach zwei Jahren Funkstille endlich wieder miteinander reden. So haben sie auch gleich vereinbart, dass der "heiße Draht" für militärische Telefongespräche wieder freigeschaltet wird, damit es nicht zum Beispiel durch ein Missverständnis zu einer ungewollten Eskalation kommt. Und möglicherweise wird es zum Neujahrsfest während der Winterspiele sogar Treffen von Familien geben, die seit dem Ende des Koreakriegs 1953 auseinandergerissen leben. Entsprechend erleichtert reagierten auch Russland und die nordkoreanische Schutzmacht China.

Kim am Ziel

Eine erstaunliche Entwicklung, nachdem sich Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und US-Präsident Trump monatelang mit Raketentests, Manövern, Sanktionen und persönlichen Beleidigungen wechselseitig provozierten. Aber eine wirkliche Überraschung ist diese zaghafte Annäherung nicht. Denn es kommt Bewegung in die verhärteten Fronten: Kim Jong Un ist nämlich gar nicht der wirre "Rocketman", der sein Land an den Rand eines Atomkriegs führt, sondern ein gerissener Stratege. Mit seinen Atom- und Raketentests hat er hat Nordkorea genau dahin gebracht, wo er es hin haben wollte: an den Verhandlungstisch.

Alexander Freund (DW)
Leiter DW Asien: Alexander Freund

An direkten Gesprächen führt nun kein Weg mehr vorbei. Und Kim kann sie aus einer Position der Stärke heraus führen: Allein die potentielle Gefahr, seine Raketen könnten die USA erreichen, genügt, dass man Nordkorea ernst nehmen muss. Und für die direkten Nachbarn Südkorea und Japan sind die unkalkulierbaren Provokationen ohnehin hochgefährlich. Entsprechend wird Kim an seinem Atom- und Raketenprogramm festhalten. Warum sollte er seine Drohkulisse auch einreißen, nur weil der "demente US-Greis", wie er Trump nennt, beharrlich stichelt und mit der totalen Vernichtung Nordkoreas droht?

Chance für die USA

Im Südkorea wird Kims Gesprächsangebot umso dankbarer angenommen, als der amtierende Präsident Moon für eine Politik der Annäherung steht, bei der er sich an der deutschen Wiedervereinigung orientiert. In einer zukunftsweisenden "Berliner Rede" hatte sich der einst aus dem Norden geflüchtete Menschenrechtsanwalt 2017 genau dafür ausgesprochen: ins Gespräch kommen - wie auch immer, zur Not in vielen kleinen Schritten über unstrittige Themen wie Umwelt oder Seuchenbekämpfung. Oder eben wie jetzt über den Sport.

Der erste entscheidende Schritt ist getan, jetzt müssen sich alle Seiten bewegen: Die Schutzmächte USA und China wären sehr gut beraten, diese zaghaften Annäherungen tatkräftig zu unterstützen und möglichst schnell ein direktes Gespräch zwischen allen Konfliktparteien zu ermöglichen. In einer Phase ohne Raketentests und wüste Beschimpfungen kann die brandgefährliche Situation vergleichsweise rasch entschärft werden.

Durch eine vernünftige Vermittlung könnten sich die USA wieder als ernstzunehmende und verlässliche Ordnungskraft in Asien präsentieren und verlorengegangenes Vertrauen zurückgewinnen. Schließlich hat die langjährige Sanktionspolitik nichts gebracht und militärische Drohungen sind nicht wirklich eine Option. Vermutlich braucht es noch einige dieser vertrauensbildenden Maßnahmen, bis ein Gipfeltreffen möglich wird. Aber dass eine diplomatische Lösung nach all der Kriegsrhetorik der vergangenen Monate überhaupt wieder möglich erscheint, ist schon ein großer Erfolg.

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DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund