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Finanzmarktreform

11. März 2010

Milliarden-Gewinne für Großbanken und saftige Boni für Manager. An den Märkten herrscht wieder munteres Treiben. Also alles wie gehabt? Nein, in kleinen Schritten kommt der Umbau voran, meint Henrik Böhme.

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Symbolbild Kommentar
Bild: DW

"Zu Risiken und Nebenwirkungen befragen sie Ihren Arzt oder Apotheker": Keine Medikamenten-Werbung im deutschen Fernsehen ohne diesen Nachsatz. Und keine Pillen-Packung ohne einen Beipackzettel, auf dem über mögliche Gefahren aufgeklärt wird. Solch einen Beipackzettel wird es demnächst auch für Geldanlage-Produkte geben. Und womöglich gibt's auch bald keine Finanz-Reklame mehr ohne den Hinweis: "Zu Risiken und Nebenwirkungen gibt ihnen Ihr Finanzberater gerne Auskunft."

Aufräumarbeiten dauern an

Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion (Foto: DW)
Henrik Böhme, WirtschaftsredaktionBild: DW

Aber noch ist das Zukunftsmusik – und natürlich war es immer schon so: Die fetten Zinsen, die dicken Prozente – die wollten alle haben. Wer da mit dem Sparbuch kam, erntete höchstens verächtliche Blicke. Was wurden die Deutschen belächelt mit ihrem eher konservativ ausgerichteten Bankensystem. Dummerweise waren die stocksolide scheinenden, staatlichen Landesbanken die größten Zocker im Milliarden-Casino. Aber nun gut: Der Finanz-Tsunami ist durchgezogen, und die Aufräumarbeiten dauern an; wie mancher meint, schon viel zu lange, viel zu unkonkret und ohne Folgen für die Verursacher der Krise.

Das allerdings ist nur auf den ersten Blick richtig: Der Weltfinanzgipfel von London, auf dem ein erster Plan beschlossen wurde, wie man künftige Krisen dieser Art vermeiden kann, dieser Gipfel fand vor gerade mal elf Monaten statt. Das Folgetreffen in Pittsburgh vor nicht mal einem halben Jahr. Zwischendurch mussten die Regierungen in den Ländern erstmal ihre Hausaufgaben machen. Sie mussten zu Hause, oft gegen heftige Widerstände vor allem der Finanz-Lobbyisten, in eine komplizierte Materie eindringen, mussten die Problemfelder definieren und Lösungsvorschläge erarbeiten. Das alles musste und muss geschehen in enger Abstimmung mit anderen Regierungen, weil: Alleingänge bringen überhaupt nichts. Kapital – so heißt es landläufig – Kapital ist ein scheues Reh. Es zieht geschwind dorthin weiter, wo es die besten Bedingungen vorfindet.

Kampf gegen Steueroasen

Deshalb müssen Standards für die Bankenaufsicht entwickelt werden, die diese Bedingungen möglichst überall gleich gestalten – und wer sich nicht dran hält, für den muss es einen durchsetzbaren Strafenkatalog geben.

Im Fall der Steueroasen kann man sehen: Es funktioniert. Noch nicht so, dass man nicht doch noch irgendwo ein Schlupfloch finden könnte. Aber immerhin: Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass es Steuerflüchtlinge mittlerweile schwer haben, ihr Vermögen vor dem Fiskus zu verstecken. Selbst die Schweiz denkt mittlerweile darüber nach, wie man sich unversteuertes Geld aus dem Ausland künftig vom Leib halten kann.

Das beste Anzeichen, dass die Länder bei der Regulierung der Finanzmärkte und der Begrenzung von Bonus-Zahlungen voran kommen, sind die Eigeninitiativen der Geldinstitute. Auf dem Weltwirtschaftsforum unlängst in Davos konnte man das erleben: Banker im Büßergewand, sich selbst ermahnend, doch den Regierungen zuvorzukommen, bevor die ihnen zu strenge Regeln aufbürden, die Größe von Banken beschränken oder die Höhe der Bonuszahlungen gesetzlich vorzuschreiben.

Globaler Deal muss her

Das Beste wäre freilich ein globales Abkommen, dem die großen Player zustimmen. Vielmehr aber besteht die Gefahr, dass Europäer und Amerikaner jetzt in unterschiedliche Stoßrichtungen operieren oder das jeder auf den anderen wartet. Die deutschen Pläne zielen vor allem auf die Bonus-Zahlungen und die Möglichkeit, Krisenbanken zerschlagen zu können. Der US-Präsident will Banken den bisweilen riskanten Eigenhandel verbieten – also den Handel mit speziellen Finanzinstrumenten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zum Zwecke der Bilanzverbesserung. Und die Europäer streiten – ganz wie es ihre Art ist – wo sie denn die Bankenaufsicht ansiedeln sollen. Man sieht: Da ist einiges in der Pipeline - momentan ist es aber in der Tat schwer vorstellbar, ob diese vielen Puzzleteile am Ende auch wirklich zusammen passen.

Natürlich muss man beim Bemühen, die Finanzmärkte krisenfester zu machen, auch aufpassen, den Banken trotz aller Versuchung noch genügend Luft zum Atmen zu lassen. Denn ob man will oder nicht: Ohne sie geht es nicht – weil Geld nun mal das Schmiermittel unserer Gesellschaftsordnung ist. Gier lässt sich nicht per Gesetz verbieten. Ihre Auswüchse aber schon. Genau diese Balance zu finden, darauf kommt es jetzt an. Und das dauert eben ein bisschen länger.

Autor: Henrik Böhme
Redaktion: Karl Zawadzky