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Politik

Rumänien zwischen Kohabitation und Blockade

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Robert Schwartz
12. Dezember 2016

In Rumänien haben die Sozialdemokraten die Parlamentswahlen haushoch gewonnen. Jetzt liegt es an Präsident Iohannis, noch entschiedener für Korruptionsbekämpfung und Rechtsstaat einzutreten, meint Robert Schwartz.

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Rumänien - Sozialdemokraten gewinnen - Liviu Dragnea
Wahlsieg im Zeichen der Rose: Liviu Dragnea, Parteichef der rumänischen SozialdemokratenBild: picture-alliance/dpa/R. Ghement

Nein, überraschend ist der Sieg der rumänischen Sozialdemokraten PSD bei den Parlamentswahlen vom Sonntag keineswegs. In allen Umfragen lagen sie uneinholbar bei über 40 Prozent. Dass sie aber nach dem ersten vorläufigen Endergebnis de facto alleine regieren können, hatten sich auch die kühnsten Strategen der Partei nicht erhofft. Und ihre liberal-konservativen Gegner von der PNL schon gar nicht. Diese träumten noch am Wahlabend völlig an der Realität vorbei von einem möglichen Umschwung, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt nicht einmal halb so viele Stimmen wie die Sozialdemokraten hatten. Eine krasse Fehleinschätzung. Genauso krass, wie der völlig verkorkste Wahlkampf: ohne Programme, ohne zündende Ideen, blass und farblos.

Noch vor einem Jahr wurde der Wahlsieger verjagt

Ganz anders die PSD, die noch vor einem Jahr aus der Regierung gejagt worden war. Unzählige Korruptionsaffären und eine Brandkatastrophe in einem Bukaresters Nachtclub mit 64 Toten waren damals Auslöser massiver Straßenproteste vor allem der jüngeren Generation, die sich eine andere Art der Politik wünschte. Damals hörte der liberal-konservative Präsident Klaus Iohannis auf die Straße und ernannte eine Expertenregierung unter dem parteilosen ehemaligen EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos. Dieser sollte auch im Wahlkampf als Lokomotive des Mitte-Rechts-Bündnisses dienen, doch die PSD und ihr Chef Liviu Dragnea fanden schnell die Mittel, um die reformorientierten Kräfte zu entzaubern.

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Robert Schwartz, Rumänische Redaktion der DW

Mit gezielten Falschmeldungen und  primitiven nationalistischen Parolen schürten sie die Ängste nicht nur ihrer Stammwähler vor einem Ausverkauf Rumäniens an ausländische Kräfte. Die Warnung vor den "Fremdartigen" in der rumänischen Politik, die aus Brüssel und Washington ferngesteuert würden, fiel auf fruchtbaren Boden. Fremdartig, das ist angeblich alles, was nicht ur-rumänisch ist - vom rumäniendeutschen Präsidenten Klaus Iohannis bis hin zum "Brüsseler" Premier Ciolos. Ein perfekter Cocktail, traditionsbewusst und konservativ, der, ähnlich wie bei der AfD in Deutschland, beim Brexit-Referendum oder bei Trumps Wahlsieg in den USA, weltweit funktioniert. Auch in Rumänien, das bisher noch nicht so sichtbar wie in den anderen ex-kommunistischen Staaten vom Virus des Nationalismus und Populismus befallen zu sein schien.

Jetzt liegt es am Staatspräsidenten, einen Premierminister aus den Reihen des Wahlsiegers mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Der PSD-Chef Dragnea hat dabei schlechte Karten. Bereits im Wahlkampf hatte Iohannis angekündigt, er würde keinen Politiker mit Justizproblemen ernennen. Dragnea ist wegen Wahlmanipulation zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Und ein weiterer Prozess läuft gegen ihn wegen Amtsmissbrauchs.

Noch ist unklar, ob Dragnea sich selbst ins Spiel bringen will und den offenen Kampf mit Iohannis sucht. Möglich ist, dass er einen ersten Schritt zum Zeichen der Kohabitation mit dem Präsidenten setzen will und einen Kompromisskandidaten für das Amt des Regierungschefs vorschlägt. Nicht auszuschließen ist allerdings auch die Variante der gegenseitigen Blockade, die bei der komfortablen Mehrheit der PSD und ihrer verbündeten liberalen Splitterpartei ALDE im Parlament in einem Amtsenthebungsverfahren gegen den Staatspräsidenten gipfeln könnte.

Kann der Präsident dem Druck standhalten?

Iohannis muss jetzt aufpassen, dass er von seinen siegreichen Verleumdern nicht völlig kaltgestellt wird. Nach den schrillen Tönen der PSD gegen die Korruptionsbekämpfung darf der Präsident keinen noch so kleinen Schritt hin zur Weichspülung der Justiz und zur Schwächung des Rechtsstaats dulden.

Doch die Luft um ihn wird dünner. Seine Umfragewerte liegen im Keller, die reform-orientierten Kräfte werden bei den neuen Mehrheitsverhältnissen im Parlament kaum mehr als eine Statistenrolle einnehmen. Die Straße wird ihm diesmal auch nicht mehr helfen. Das hat die schwache Wahlbeteiligung von unter 40 Prozent klar gezeigt. Fast auf den Tag genau 27 Jahre nach dem Sturz der kommunistischen Diktatur haben vor allem die jüngeren Wähler kein Vertrauen mehr in die Politik. Und viele von ihnen suchen ihre Zukunft im Ausland. In Rumänien werden die Karten ab heute neu gemischt - und der Gewinner ist die ultra-konservativ gewordene Sozialdemokratische Partei.

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