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Politik

Schlappe für Präsident Poroschenko

Johann Bernd Kommentarbild App
Bernd Johann
31. März 2019

Bei der Präsidentenwahl in der Ukraine geht der Comedian Selenski klar in Führung. Der erste Wahlgang war vor allem eine Protestwahl. In der Stichwahl werden die Menschen genauer hinsehen, meint Bernd Johann.

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Ukraine Präsidentschaftswahl 2019 | Petro Poroschenko, Präsident
Bild: picture-alliance/AP Photo/E. Lukatsky

Wahlen sind das Herzstück einer Demokratie. Die Wähler entscheiden darüber, wer ihr Land anführen soll und wer nicht. Diese Wahl fällt manchmal schwer. In der Ukraine ist das jetzt so. Nach der ersten Runde der Präsidentenwahl liegt ein Berufskomiker vorn: der Comedian und TV-Star Wladimir Selenski. Er bekam fast doppelt so viele Stimmen wie Amtsinhaber Petro Poroschenko (Artikelbild oben), der damit noch drei weitere Wochen um seine Wiederwahl fürchten muss.

Das Ergebnis ist eine schwere Schlappe für Poroschenko. Vor fünf Jahren siegte er strahlend schon im ersten Wahlgang. Von solchen Zustimmungsraten ist er heute sehr weit entfernt. Zu groß ist die Enttäuschung in der Ukraine über seine Politik. Nicht alle angekündigten Reformen hat er umgesetzt. Einige blieben stecken, etwa die Korruptionsbekämpfung. Auch den Krieg mit Russland im Donbass hat er nicht beendet. Und vor allem: Noch immer ist der Lebensstandard in der Ukraine einer der niedrigsten in Europa. Kasse machen lediglich wie ehedem die reichen ukrainischen Geschäftsleute, die sogenannten Oligarchen. Poroschenko lässt sie gewähren. Er ist selbst einer. Dafür hat er nun die Quittung bekommen. Aber immerhin: Er ist noch im Rennen.

Sehnsucht nach neuer Politikergeneration

Im Gegensatz zu Julia Timoschenko. Ihr Traum vom Präsidentenamt ist schon in der ersten Wahlrunde geplatzt. Ebenso wie bei Poroschenko hat letztlich Selenskis Erfolg auch ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie wollte Poroschenko die Stimmen abjagen mit dem für sie typischen populistischen Programm. Ihre Stammwähler konnte sie damit mobilisieren, mehr aber auch nicht.

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DW-Redakteur Bernd Johann

Timoschenko ist also raus, Poroschenko noch dabei - beide Politiker verkörpern im Grunde eine alte Politikergeneration, die viele Ukrainer nicht mehr wollen. Selenski bietet sich diesen Menschen nun als Alternative an. Ganz sicher war diese erste Wahlrunde vor allem eine Protestwahl. Sie konnte noch keine Entscheidung bringen. Das war aufgrund der Umfragen absehbar. Davon hat Selenski erstmal profitiert. In der zweiten Runde aber könnten die Wähler genauer hinschauen.

Schlägt der Clown den Präsidenten?

Denn bei aller Enttäuschung über Poroschenko bewegt viele Ukrainer auch die Frage, wie Selenski tatsächlich als Präsident wäre. Sie kennen ihn nur als Spaßmacher und vor allem aus einer Fernsehserie, in der er den Präsidenten der Ukraine spielt. Aber wie wäre er als Präsident in echt?

Sein politisches Programm, soweit man überhaupt von einem Programm sprechen kann, ist ziemlich nebulös. Im Wahlkampf blieb Selenski vor allem der Comedian. Er gab kaum Interviews, kam nicht zu politischen Debatten. Stattdessen tourte er mit seiner Kabarettmannschaft von Stadt zu Stadt. Satire statt Politik.

Die Ukrainer werden im zweiten Wahlgang vor einer schwierigen Entscheidung stehen: Entweder stimmen sie für den Amtsinhaber, den viele nicht mehr wollen. Oder sie stimmen für dessen Herausforderer, dessen politische Ziele sie bislang nur in Umrissen ahnen können. Clown gegen Präsident. Eine Wahl mit ungewissem Ausgang.