1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Seehofer geht zu weit

von der Mark Fabian Kommentarbild App
Fabian von der Mark
10. Februar 2016

Zimperlich war Horst Seehofer mit seiner Kritik an der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel ja noch nie in den vergangenen Monaten. Aber seine jüngste Attacke hat eine neue Qualität, meint Fabian von der Mark.

https://p.dw.com/p/1HscE
Angela Merkel und Horst Seehofer CSU Parteitag
Bild: Getty Images/AFP/C. Stache

Mit seiner Äußerung, in Deutschland bestehe eine "Herrschaft des Unrechts", geht der bayerische Ministerpräsident eindeutig zu weit. Auch wenn es Zweifel an der Richtigkeit der Flüchtlingspolitik Angela Merkels geben mag - eine Gleichsetzung mit den deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts ist unverschämt.

Wahrscheinlich wollte Horst Seehofer mal wieder nur richtig poltern. Das Interview in der "Passauer Neuen Presse" ist traditionell der Auftakt zum politischen Aschermittwoch in eben jener Stadt im tiefsten Niederbayern - einer Veranstaltung, bei der eher die grobe Keule als das feine Florett gefragt ist. Und in der gut gefüllten Halle hätte sich nach ein, zwei Maß Bier wahrscheinlich auch Riesen-Stimmung erzeugen lassen mit dem Vorwurf, Angela Merkel stehe einem Unrechtsstaat vor.

Geschichtsvergessener Vergleich

Nun steht die Aussage aber schwarz auf weiß in der Zeitung und ist meilenweit daneben. In Deutschland ist es Konsens, die NS-Diktatur und zumindest weitgehend auch das SED-Regime als Unrechtsherrschaft zu bezeichnen. Eine demokratisch gewählte Regierung, die mit beiden Füßen fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht, so zu diffamieren, ist dagegen unerhört und geschichtsvergessen. Vielleicht hätte Horst Seehofer nach seinem Russland-Besuch auch noch Nordkorea oder besser gleich Syrien besuchen sollen, um zu sehen, wie eine Herrschaft des Unrechts aussieht.

Seehofer beruft sich mit seiner Äußerung auf das Gutachten des früheren Verfassungsrichters Udo Di Fabio. Auf 126 Seiten legt dieser unter anderem dar, dass der Bund verpflichtet sei, "wirksame Kontrollen der Bundesgrenze wieder einzuführen, wenn das gemeinsame europäische Grenzsicherungs- und Einwanderungssystem vorübergehend oder dauerhaft gestört ist". Seehofers Drohung, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Bundesregierung zu klagen, bezieht sich auf diesen Punkt.

von der Mark Fabian Kommentarbild App
Fabian von der Mark ist Korrespondent im Hauptstadtstudio

So kann man argumentieren. Und natürlich ist es Unfug, zu behaupten, die deutsche Grenze ließe sich nicht kontrollieren. Es ist oberste Aufgabe eines Staates, seine territoriale Integrität zu bewahren. In den vergangenen Jahren war es in der deutschen Politik auch ein Beleg für failed states, gescheiterte Staaten wie Afghanistan, dass sie ihr Staatsgebiet und ihre Grenzen nicht schützen konnten. Allerdings erlaubt eine humanitäre Notsituation Ausnahmen, und darauf würde sich die Bundesregierung sicher beziehen. So oder so: In der Bewertung kann man hier unterschiedlicher Meinung sein. Aber ein Urteil darüber, ob hier Unrecht begangen wurde, kann nicht Horst Seehofer treffen.

Kritisiert sich die Regierungspartei CSU selbst?

Denjenigen, die an der Bewältigung der eigentlichen Mammutaufgabe Flüchtlingsintegration interessiert sind, erweist Seehofer einen Bärendienst. Politiker und Helfer fragen zu recht: Wie will man einem Flüchtling erklären, dass Deutschland ein Rechtsstaat sei, wenn ein Ministerpräsident und Parteivorsitzender behauptet, dass wir es mit einer Herrschaft des Unrechts zu tun haben? Wie kann man AfD und Pegida begegnen, wenn selbst Mitglieder einer etablierten Partei "denen da oben" nur das Schlechteste zutrauen?

Horst Seehofer macht es sich mit seinen immer schärferen Attacken auf die Kanzlerin aber auch zu leicht: Seine Partei, die CSU, ist Teil dieser Bundesregierung, sie stellt drei Minister. Wenn er nicht will, dass die drei sich an einer "Herrschaft des Unrechts" beteiligen, dann muss er mit seiner CSU die Regierung verlassen. Eine Verfassungsklage in Karlsruhe hätte die gleiche Konsequenz verlangt. Mit seinem eigenen, verheerenden Urteil ist er sogar noch einen Schritt weiter gegangen. Trotz Wahlkampf und Aschermittwoch - einen Schritt zu weit.

Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinung!