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Der Anti-Bush

Daniel Scheschkewitz24. Juli 2008

Barack Obama hat in Berlin seine mit Spannung erwartete Rede gehalten. Konnte er die hohen Erwartungen erfüllen? Ein Kommentar von Daniel Scheschkewitz.

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Bild: DW

Berlin hat Barack Obama empfangen wie einen Superstar. Die eventhungrige Hauptsstadtpresse und die Zehntausende, die gekommen waren, um den möglichen nächsten US-Präsidenten zu sehen, projizierten dabei auch ihre eigenen Sehnsüchte und Hoffnungen in den charismatischen Bewerber um das mächtigste Amt der Welt. Sehnsucht nach einem Anti-Bush, der alles anders und besser macht als der in Europa schon lange in Ungnade gefallene amtierende Präsident.

Absage an Isolationismus

Und Hoffnung auf einen anderen Politikertypus, der die dröge und weitgehend einflusslose Politikerriege hierzulande vergessen macht. Obama hielt dabei eine rhetorisch beeindruckende Rede in der Tradition großer US-Präsidenten, wie Ronald Reagan oder John F Kennedy. Rückschlüsse auf seine Politik als Präsident lassen sich aus dieser vor allem an das heimische Publikum adressierte Rede indes kaum ziehen.

Er pries Berlin als einen Ort der Freiheit und der Hoffnung. Das sind Worte wie sie jedem US-Präsidenten an gleichem Ort über die Lippen kämen. Er erinnerte an die Luftbrücke vor 60 Jahren, und weil der Kalte Krieg inzwischen vorbei ist, schlug er eine Brücke zu den neuen Religions- und Wohlstandsgräben des 21. Jahrhunderts. Zukunftsweisend auch die als wohltuend empfundene Absage an jeden Isolationismus, gleich ob er nun in Amerika oder in Europa politisch salonfähig zu werden versucht.

Verbündete sollen helfen

Der Appell an eine neue transatlantische Verantwortungsgesellschaft, die im Kampf gegen den Terrorismus noch mehr als bisher tut, war erwartet worden. Und wenn - daran ließ Obama wenig Zweifel - dies mit mehr Soldaten und finanziellen Zuwendungen einher gehen soll, dürfte das schon weitaus weniger nach dem Geschmack des deutschen Publikums sein.

Entsprechend verhalten war der Beifall für diesen Teil der Rede. Er hätte auch von Bush stammen können. Und wie realistisch seine Forderung nach einer atomwaffenfreien Welt war, muss dahingestellt bleiben, angesichts der Tatsache, dass heutzutage immer mehr Regime Atomwaffen anstreben, die sich aller internationaler Kontrollmechanismen entziehen. Von Pakistan bis zum Iran.

Obamas Plädoyer für eine neue globale Umweltpolitik verbindet ihn übrigens nicht nur mit seinen deutschen Anhängern Fans, sondern auch mit seinem republikanischen Gegenspieler John McCain.

Sympathie-Wettbewerb in Europa gewonnen

Am stärksten wirkte Obama in dem Teil seiner Rede, in dem er seinen deutschen Zuhörern den Glauben an das freie und nach Gerechtigkeit strebende Amerika zurückgeben wollte. Dass er dabei auch die Fehlbarkeit Amerikas eingestand, unterscheidet ihn von Bush, und lassen sein Versprechen für eine neue vertrauensvolle Partnerschaft unter den transatlantischen Verbündeten nicht mehr nur als bloße Floskel erscheinen.

Den Sympathiewettbwerb um die Gunst der Europäer dürfte Obama bereits gewonnen haben. Den amerikanischen Präsidenten wählen im November jedoch die Amerikaner. Und die Bilder aus Berlin werden bis dahin auf der anderen Seite des Atlantiks schon wieder vergessen sein.