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Kommentar: Selbstbewusst, aber nicht anbiedernd

Daniel Scheschkewitz, Washington DC4. Mai 2006

Nur vier Monate nach dem Antrittsbesuch ist Angela Merkel erneut in die USA gereist. Allein das ist ein Zeichen dafür, dass der lange gestörte Kontakt zwischen Berlin und Washington wieder so gut ist, wie er sein sollte.

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Fernschreiber Autorenfoto, Daniel Scheschkewitz

Der Umgang von Präsident George W. Bush mit Angela Merkel unterscheidet sich auffallend von der Behandlung ihres Vorgängers Gerhard Schröder. Nach ihrem ersten Treffen lobte Bush Merkel als charmant, intelligent und freiheitsliebend. Dieses Mal pries er sie als klare Denkerin, die sich einer direkten Sprache bediene. Frau Merkel ihrerseits sprach von einer freundschaftlichen Beziehung.

Diese Tonart unterscheidet sich angenehm von dem Zwist der die deutsch-amerikanischen Beziehungen über weite Strecken der Kanzlerschaft Gerhard Schröders prägte.

Pfleglicher Umgang

Der pflegliche Umgang ist aber nicht nur der persönlichen Symphatie geschuldet, sondern auch aus der Erkenntnis geboren, dass die USA Deutschland als wichtigstes Land in Europa ebenso brauchen wie Deutschland die USA. Und dem Umstand, dass die Weltmacht USA im Irak an ihre Grenzen gestoßen ist.

Will man das Problem mit dem iranischen Atompogramm auf friedlichem Weg lösen, braucht man Deutschland ebenso wie Indien, China, oder Russland. Ein Krieg der "Koalition der Willigen" ist dieses Mal keine Option. Die Bundeskanzlerin hat es von daher leichter, auf die diplomatischen Mühlen der Konfliktlösung zu setzen, auch wenn diese langsam mahlen.
Geostrategisch muss Deutschland dabei mindestens so sehr an einem atomwaffenfreien Iran gelegen sein wie den USA.

Dass Kanzlerin Merkel den guten Kontakt Deutschlands zu Russland weiter pflegt, macht sie für den US-Präsidenten noch interessanter. Deutschland ist in einer Mittlerrolle, aber kein Vermittler.

Die Bundeskanzlerin kündigte am Mittwoch (3.5.2006) in Washington an, sich auf dem bevorstehenden EU-Lateinamerika-Gipfel auch für einen erfolgreichen Abschluss der Welthandelsgespräche einsetzen zu wollen. Dies ist ebenfalls durchaus im amerikanischem Interesse, zumal Präsident Bush aus naheliegenden Gründen bei der Riege der regierenden Linkspopulisten auf der südlichen Hälfte des amerikanischen Kontinents kein besonders hohes Ansehen genießt.

Ein Wort mit Gewicht

Das Auftreten Angela Merkel in Washington ist bei aller Freundschaft und Verbindlichkeit keineswegs anbiedernd, sondern durchaus selbstbewusst. Deutschland braucht sich außenpolitisch nicht zu verstecken. Sein Wort hat Gewicht und die Tradition der Konfliktlösung innerhalb multilateraler Organisationen hat nun auch im Weißen Haus Konjunktur.

Dass Angela Merkel allem Anschein nach auch das persönliche Vetrauen von Präsident Bush genießt, kann dazu nur von Nutzen sein - den deutsch-amerikanischen Beziehungen hat es jedenfalls schon jetzt gut getan.

Und dass Frau Merkel Seite an Seite mit Bush und UN-Generalsekretär Kofi Annan auf der 100-Jahr-Feier einer der größten jüdischen Organisationen in den USA - dem American Jewish Committee - spricht, zeigt, dass Deutschland seiner historischen Verantwortung auf der Weltbühne anerkanntermaßen gerecht wird.