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Politik

SPD, trau' dich!

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Felix Steiner
27. November 2017

Sondieren einer Jamaika-Koalition, Nachdenken über eine Minderheitsregierung - die Republik erlebt seit der Wahl eine Premiere nach der anderen. Felix Steiner fragt sich: Warum nicht weiter jenseits alter Pfade denken?

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SPD Fahnen
Bild: picture-alliance/dpa/C. Rehder

"Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz!" Lebte Martin Luther in unseren Tagen, der Reformator würde sein geflügeltes Wort sicherlich auch den Sozialdemokraten zurufen.

Wie kann man sich selbst nur so im Wege stehen? Statt die Chance beim Schopf zu packen und der CDU die klare Grundbedingung zu diktieren, unter der man eine neuerliche, gar nicht mehr so große Koalition eingehen würde, verlieren sich die Genossen im Klein-Klein: Schluss mit der privaten Krankenversicherung! Kein Ende des Solidaritätszuschlags für Spitzenverdiener! Teilzeitkräfte müssen ihre Arbeitszeit aufstocken dürfen! Als würde sich an diesen Fragen das Schicksal Deutschlands entscheiden. Geht's noch?

Die CDU muss der SPD ihr Ziel vorsagen

Weil sie die SPD selbst nicht über die Lippen bringt, war es CDU-Vize Armin Laschet überlassen, die entscheidende Frage in die Debatte tragen: Selbstverständlich bleibe Angela Merkel Kanzlerin, "sonst braucht die SPD gar nicht anzukommen".

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DW-Redakteur Felix Steiner

Doch. Genau diese Forderung hätte SPD-Chef Martin Schulz spätestens am vergangenen Wochenende stellen müssen. Denn die Kaiserin ist mittlerweile splitternackt - auch wenn das viele in ihrer huldvollen Bewunderung immer noch nicht bemerkt haben. Mit wem will sie denn regieren? Linkspartei und AfD hat sie ja von vorneherein als mögliche Partner ausgeschlossen, mit Grünen und Liberalen vier lange Wochen ohne Ergebnis verhandelt. Richtig: Die Frau, deren Verhandlungstalent international so hoch gelobt wird, bekommt zu Hause keine neue Regierung gebacken. Jetzt bleibt nur noch die SPD. Sie ist sozusagen alternativlos. Womit der Kanzlerin einer ihrer zentralen politischen Begriffe endlich einmal selbst auf die Füße fällt.

Doch die SPD grübelt über ihre vaterländische Verantwortung, sorgt sich aber in erster Linie um sich selbst und will sich erneuern. Das ist ja nach dem niederschmetternden Wahlergebnis vom 24. September durchaus nachvollziehbar. Aber glauben die Sozialdemokraten allen Ernstes, sie schnitten besser ab, wenn jetzt noch einmal Wahlen abgehalten würden?

Zeigen, was Sozialdemokratie kann

Ja, die SPD braucht wieder ein klares Profil. Doch viel leichter als auf Oppositionsbänken oder in der Rolle des Juniorpartners entwickelt sich das an der Spitze der Bundesregierung. Denn der Kanzler bestimmt die Richtlinien der Politik, heiß es im Grundgesetz kurz und knapp. Wenn nun also allenthalben der Ruf ertönt, man müsse doch mal offen für Neues sein und damit eine Minderheitsregierung meint, dann wäre die Variante, dass der kleinere Koalitionspartner den Kanzler stellt, ebenso neu und deutlich stabiler.

Warum also positioniert sich die SPD nicht mit dem ausgewiesenen Europa-Politiker Martin Schulz an der Spitze als DIE Europa-Partei schlechthin? Ohnehin erschließt sich einem die Logik nicht, warum ausgerechnet Angela Merkel, die für die aktuellen Probleme der EU entscheidende (Mit-)Verantwortung trägt, nun für deren Lösung unverzichtbar sein soll.

"Ohne Angela" hieße wohl auch "ohne Martin"

Hinter dem Zögern von Martin Schulz liegt alleine EIN nachvollziehbarer Grund: Auf einen SPD-Vorstoß für eine Bundesregierung ohne Angela Merkel folgt so sicher wie das Amen in der Kirche der Unions-Reflex: "dann auch ohne Martin Schulz". Das wäre zwar persönlich hart für Schulz, aber kein wirkliches Problem für die SPD. Denn mit Sigmar Gabriel und Andrea Nahles hat sie zwei weitere Köpfe, denen man das Kanzleramt getrost zutrauen kann. Und Andrea Nahles als Kanzlerin könnte wohl selbst die Parteilinke nicht ablehnen, steht sie doch wie kaum eine Andere für das Thema soziale Gerechtigkeit, welches die sozialdemokratische Funktionärsseele so sehr streichelt.

Die SPD liegt nicht so sehr am Boden, wie ihr die Medien und sie selbst sich das derzeit einreden. Denn die SPD hat personelle Alternativen. Und mit ihren Köpfen verbinden sich Ideen. Mit beidem kann die CDU derzeit nicht aufwarten. Sie ist personell wie programmatisch völlig ausgebrannt. Deswegen: SPD, trau' Dich!

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