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Politik

May muss endlich die Wahrheit sagen

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Max Hofmann
10. November 2017

Eine unheilige Allianz aus Presse und Politik vernebelt den Briten nach wie vor die Sinne. Diese sollten endlich die Fakten hören und dann ihre Brexit-Entscheidung nochmals überdenken, meint Max Hofmann.

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Theresa May (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/T.Melville

"Mrs. May, tear down this wall!" möchte man in diesen Tagen der britischen Premierministerin zurufen - "Reißen Sie diese Mauer nieder!". Ganz so wie es der damalige US-Präsident Ronald Reagan vor dreißig Jahren in Berlin tat. 1987 gab es eine echte Mauer, die Menschen davon abhielt, ihren scheiternden Staat, die DDR, zu verlassen. Heute gibt es eine virtuelle Mauer um das Vereinigte Königreich - ein Land auf dem Weg ins Verderben. Diese Mauer besteht aus Fehlinformationen, Lügen und Vorurteilen, propagiert von Politikern, inklusive der britischen Regierung und der Regenbogenpresse. Sie hält das britische Volk fern der Wahrheit und lässt sie Lemmingen gleich in Richtung Abgrund laufen.

Die Briten erreichen den Abgrund genau am 29. März 2019, das hat Theresa May noch einmal ihrer Hauspostille "The Telegraph" klar gestellt. Sie war sich auch nicht zu schade, sogar die Uhrzeit zu erwähnen: 23 Uhr britischer Zeit. Außer dem ständigen Geschwurbel über einen "good deal for Britain" hat sie inhaltlich fast nichts zu bieten. Deshalb wohl das Versteifen auf Formalien. Es ist unbegreiflich, wie eine leidlich erfahrene Politikerin ihr Volk auf diesem Wege sehenden Auges in die Krise führen kann. Der Verdacht liegt nahe, dass sie inzwischen nur noch versucht, sich selbst zu retten. Autorität nach außen, um die Erosion ihrer chaotischen Regierung zu stoppen. Damit setzt sie eigene Interessen und die ihrer Partei vor das Wohl des Vereinigten Königreiches.

Der Brexit ist nicht unvermeidbar

Nun hat sich ein anderer erfahrener Sohn des ehemaligen Empires entschlossen, einen Versuch zu wagen, die Unvermeidbarkeit des Brexit in Frage zu stellen. Lord Kerr, niemand anderes als einer der Architekten des inzwischen berühmten Artikel 50 des Lissabon-Vertrages, im Rahmen dessen Frau May aus der EU aussteigen möchte.

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Max Hofmann, Leiter des DW-Studios in Brüssel

Und Kerr sagt folgendes: "Tatsächlich hat das Land nach wie vor die freie Wahl, ob es mit dem Prozess weitermachen möchte. Mit dem Aufkommen neuer Fakten ist es das Recht der Menschen, ihre Meinung zu ändern. Im Artikel 50 gibt es nichts, was sie davon abhalten könnte."

Lord Kerr möchte man zurufen: "Wollen Sie sich nicht als Premierminister des Vereinigten Königreiches bewerben?" Denn genau das ist der Punkt: Den Briten werden zwar immer noch die harten Fakten der Brexit-Verhandlungen und deren Konsequenzen vorenthalten (siehe virtuelle Mauer), aber sie sind nicht mehr so schlecht informiert, wie sie es zum Zeitpunkt des Referendums waren. Außerdem haben inzwischen viele mitbekommen, wie desaströs die Regierung und die eigentlich schon so gut wie abgewählte Premierministerin in den Verhandlungen agiert. In Brüssel würden viele gerne verzweifelt lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Der konservative Europaabgeordnete David McAllister, selbst Halb-Brite - zugegebenermaßen mit schottischen Wurzeln - kann es selbst nicht fassen, was seine politischen und wirklichen Verwandten in Großbritannien von sich geben.

Mit Vollgas Richtung Abgrund

So treten nach seinen Erzählungen ältere Brexit-Befürworter an ihn heran und schwärmen jetzt schon davon, wie ihre Enkelkinder im Rahmen des Erasmus-Programms in anderen europäischen Ländern studieren werden. Das Problem: Erasmus ist ein EU-Programm. Austritt aus der Europäischen Union bedeutet auch Austritt aus Erasmus. Nur ein Beispiel. Aber eines, das Bände spricht. Man kann es nur fassungslos wiederholen: Viele Menschen in Großbritannien haben nach wie vor nicht verstanden, was mit dem Brexit auf sie zukommt: Wirtschaftlicher Niedergang, administratives Chaos, politische Isolation. McAllisters Hoffnung: "Wenn die Politiker den Briten ganz hart die Konsequenzen des Brexit erklären müssen, dann wird das vielleicht nochmal gedreht."

CDU Bundesparteitag in Berlin (David McAllister)
David McAllister, Abgeordneter im Europäischen Parlament für die CDUBild: Reuters

Genau das wäre eigentlich der Job Theresa Mays. Sie sollte einsehen, dass sie als Premierministerin keine große Zukunft hat. Vor einigen Wochen sah es so aus, als würde sie vielleicht die richtigen Konsequenzen daraus ziehen und den Fuß vom Gas nehmen. Inzwischen hat sie aber wieder einen Gang hoch geschaltet, denn ihr politisches Überleben hängt mehr denn je vom Brexit ab. Wäre ihr Land eines der Autos, die aufgrund des EU-Austrittes bald nicht mehr im Vereinigten Königreich produziert werden, dann würde es jetzt mit Vollgas Richtung Abgrund rasen. Theresa May ist wahrscheinlich ganz grundsätzlich die falsche Frau, um an der Spitze des Vereinigten Königreichs zu stehen. Sie ist mit Sicherheit die falsche Frau in diesen schwierigen Zeiten. Sie sollte wenigstens die Frau sein, die ihrem Volk die Wahrheit sagt.

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Max Hofmann Leiter der Hauptabteilung Nachrichten@maxhofmann