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Top-Rente trotz mittelmäßiger Arbeit

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Timothy Rooks
22. Mai 2019

Dieter Zetsche verlässt den Daimler-Konzern und geht in den Ruhestand. Die Höhe seiner Altersbezüge gibt Anlass für Diskussionen. Mittelmäßigkeit darf nicht derart fürstlich belohnt werden, meint Timothy Rooks.

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Daimler AG - Mercedes Benz -  Dieter Zetsche
Bild: picture alliance/AP Photo/M. Sohn

Abfindungen und Bonusregelungen für Unternehmenschefs sind immer willkommener Anlass für allgemeine Aufregung. Die Zeitungen sind voll mit Kommentaren, Aktienbesitzer sind erbost, protestieren und in den Sozialen Medien schlagen die Wellen hoch. Weniger Aufmerksamkeit erwecken die Summen, die bezahlt werden, wenn der Chef in Ruhestand geht - auch wenn sie nicht weniger belastend für das Unternehmen sein können.

Wenn der Alte weg ist, schauen alle nur nach vorn. Zumal es nicht ganz einfach ist, den Wert an Aktienoptionen, Bonuszahlungen, Gesundheitsleistungen und anderen Privilegien, wie Fahrdienst, Sicherheitspersonal und Privatjet, die er behält, genau zu überblicken.

Nun also hört Dieter Zetsche auf. Nach 13 eher mittelmäßigen Jahren als Boss bei Daimler verlässt er den Autobauer nach der Jahreshauptversammlung an diesem Mittwoch.

Blick in die Zukunft

Es ist kaum zu übersehen, dass die Marke mit dem Stern ihren Glanz zu verlieren droht. Trotz weltweiter Bekanntheit sucht Daimler nach einem Weg in die Zukunft der Mobilität.

Als Zetsche im Jahr 2006 das Steuer übernahm, war die Aktie 43 Euro wert - im Mai dieses Jahres sind es 58 Euro. Ganz ordentlich möchte man meinen, und ganz im Durchschnitt aller anderen Großkonzerne im deutschen Aktienindex Dax. Doch die Rally im Dax der vergangenen drei Jahre ist an Daimler weitestgehend vorbeigegangen.

Manipulationen an der Abgasanlage führten 2018 dazu, dass 800.000 Luxuswagen zurückgerufen werden mussten. Und erst im April gab es neue Verdachtsmomente für Emissionsbetrug. Zudem schmierten die Verkäufe im ersten Quartal um vier Prozent ab, was Umsatz und Profit belastet.

Schwerer wiegt die weitgehend orientierungslos wirkende Strategie des Autobauers hinsichtlich autonomen Fahrens, neuer Mobilitätskonzepte und emissionsfreier Antriebstechnik. Sparen scheint Daimlers einzige Antwort zu sein, ist aber nur ein Ausdruck der Hilflosigkeit des einstigen Technologieführers in der Automobilindustrie.

Das Kleingedruckte

Daimlers grandiosester Fehlschlag war zweifelsohne die Fusion mit Chrysler 1998. Übernahme trifft es eher, und Zetsche, der später für Chrysler verantwortlich war, musste am Ende 36 Milliarden Dollar in den amerikanischen Autobauer stecken - genausoviel, wie Daimler für die Übernahme bezahlt hatte.

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DW-Wirtschaftsredakteur Timothy RooksBild: DW/B. Geilert

Echte Integration in den Gesamtkonzern - Fehlanzeige. Der damalige Fiat-Chef Sergio Marchionne hat Zetsche später gezeigt, wie's geht.

Der Ruhestand des Daimler-Chefs wird mit 4250 Euro vergoldet - nicht monatlich, sondern jeden Tag - womit er wahrscheinlich der bestbezahlte Pensionär der deutschen Unternehmensgeschichte sein wird. Nur der frühere VW-Boss Martin Winterkorn kann da einigermaßen mithalten, aber auch der ist nicht gerade für seine umwerfenden Erfolge berühmt.

Alles in allem, so wird geschätzt, streicht Zetsche bis an sein Lebensende Ruhestandsbezüge von 42 Millionen Euro ein. Immer noch recht moderat im Vergleich zu Ex-Ford-Chef Mark Fields, der sich trotz massiver Verluste des US-Autobauers während seiner Amtszeit über 57 Millionen Dollar freuen konnte.

Wahrscheinlich hat das typische deutsche System der Mitbestimmung verhindert, dass es nicht noch mehr für Zetsche wurde. Die Regel, dass in großen Unternehmen hierzulande ein Teil der Aufsichtsratssitze mit Belegschaftsvertretern besetzt werden muss, zügelt eine gewisse Maßlosigkeit.

Geben und Nehmen und manchmal ein bisschen mehr

Welchen Nutzen hat überhaupt der frühere Chef für einen Autokonzern? Hätte er in seiner aktiven Zeit wirklich soviel schlechter gearbeitet, wenn seine Altersversorgung zehn Prozent oder gar 50 Prozent geringer ausfallen würde? Schwer zu sagen.

Eins ist jedoch gewiss: Das Wettrüsten der Konzerne in Sachen Manager-Versorgungen muss gestoppt werden. Das kann natürlich nur auf globaler Ebene geschehen, und muss damit beginnen, dass die Chefs an ihrem Erfolg gemessen werden. Schlechte Leistungen dürfen nicht auch noch belohnt werden.

Ebenso sicher ist, dass uns Dieter Zetsche noch lange erhalten bleiben wird - trotz der gegenwärtigen Debatte über seine Ruhestandsbezüge und trotz der derzeit lausigen Performance des Autobauers. Glaubt wirklich jemand, einer wie Zetsche legt sich nun entspannt in die Sonne? Mitnichten. 2021 wird er als Vorsitzender des Aufsichtsrats in die Daimler-Familie zurückkehren und dann zum Beispiel über die Gehälter seiner Nachfolger entscheiden. Manche Dinge ändern sich eben nie.