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Treppe in den Wahnsinn

9. August 2016

Der Rekordtransfer des französischen Nationalspielers Paul Pogba ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Kluft zwischen den reichsten Vereinen und dem Rest der Fußballwelt wächst, meint DW-Sportreporter Stefan Nestler.

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Nationalspieler Paul Pogba. Foto: dpa-pa
Bild: picture-alliance/dpa/G. Horcajuelo

Wieder ein Transferrekord: 105 Millionen Euro plus möglicherweise fünf Millionen Euro Bonuszahlungen kassiert Juventus Turin für den Franzosen Paul Pogba. Berappt hat die Rekordsumme der englische Premier-League-Klub Manchester United. Verrückt ist nicht alleine die Summe für einen Spieler, der, zugegeben, ein außergewöhnlicher Spieler ist, aber doch kein wirklicher Überflieger. Noch verrückter ist jedoch die Tatsache, dass sich ManUnited Pogba sogar leisten kann. In der letzten Saison sackte der Verein allein an Fernsehgeldern für die Übertragungen der Premier-League-Spiele 127 Millionen Euro ein. Die finanzielle Kluft zwischen den Vereinen von der Insel, die mit Geld nur so um sich werfen können, und dem überwiegenden Rest der Fußballwelt, der seine "Kröten" zusammenhalten muss, wird immer größer.

Überall purzeln die Rekorde

Nun mag der eine oder andere einwenden: "Das macht doch nichts. Seht euch mal die letzten Sieger der europäischen Wettbewerbe an! Keine englischen Vereine. Geld schießt anscheinend doch keine Tore." Aber so einfach ist es nicht. Denn wirklich um die Spitze mitspielen können längerfristig nur die Vereine, die über eine prall gefüllte Geldbörse verfügen. Das gilt nicht nur im Europapokal, sondern auch in den nationalen Ligen. Und die englischen Verhältnisse färben ab. Auch andernorts purzeln die Transferrekorde. Selbst für durchschnittlich begabte Bundesligaspieler werden inzwischen zweistellige Millionensummen verlangt und auch bezahlt.

Dauer-Abo auf die Champions League

Das führt dazu, dass die finanzstarken Vereine den weniger betuchten ihre Talente noch schneller und häufiger wegkaufen, als es früher der Fall war. Damit vergrößert sich auch der sportliche Abstand. Die vergangene Bundesliga-Saison war ein eindrucksvoller Beleg für diese Tendenz: Der FC Bayern und Borussia Dortmund enteilten der Konkurrenz, die Spannung im Titelrennen blieb auf der Strecke. Auch in den anderen großen Ligen Europas machen in der Regel zwei, maximal drei große Vereine die Erfolge unter sich aus. Dahinter kommt lange Zeit nichts. Mit dem quasi Dauer-Abo auf einen Startplatz in der Champions League sprudeln bei diesen großen Clubs weitere Einnahmen in mindestens zweistelliger Millionenhöhe – ganz zu schweigen von den Chancen, die sich ihnen als Dauerstarter der europäischen Eliteliga auf dem weltweiten Werbemarkt bieten. Auch dort helfen natürlich große Namen im Kader. Und mit all diesem Geld können sich die Vereine dann noch teurere Spieler leisten.

Leistung und Moral sind nachrangig

Finanzexperten haben schon vor vielen Jahren geunkt, eines Tages werde auch die Fußballblase platzen, wie einst jene in der Immobilienbranche. Eingetreten ist dieses Szenario bisher nicht. Die Spirale dreht sich vielmehr weiter. Ablösesummen von über 200 Millionen Euro, wie sie in Lionel Messis letztem Vertrag beim FC Barcelona festgeschrieben wurden, wirken heute noch wie Utopie, könnten aber in nicht allzu ferner Zukunft durchaus Realität werden. Mit sportlicher Leistung hat das Ganze nur noch bedingt zu tun, und die moralische Latte - man bedenke, was man mit diesen Unsummen Sinnvolles tun könnte - liegt im Fußball ohnehin schon längst deutlich unter der Grasnarbe. Der Pogba-Transfer ist nur ein weiterer Schritt auf dieser Treppe in den Wahnsinn.

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DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter