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Politik

Trump bringt Putin in die Bredouille

17. Oktober 2019

Kritiker rügten den Abzug der USA aus Syrien als "Geschenk an Russland". Doch bei näherer Betrachtung der russischen Verbündeten in Nahost wird klar: dieses "Geschenk" hält Fallstricke bereit, meint Konstantin Eggert.

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Argentinien G20 Gipfel - Putin und Trump
Der russische Präsident Wladimir Putin (l.) und sein US-Amtskollege Donald Trump Ende November 2018Bild: Reuters/M. Brindicci

Als "Geschenk an Russland, Iran und den IS" bezeichnete Brett McGurk die Entscheidung, die US-Truppen aus Syrien abzuziehen. McGurk war Sonderbeauftragter der Vereinigten Staaten für die internationale Allianz zur Bekämpfung der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Ende 2018 reichte er seinen Rücktritt ein, da er mit dem Beschluss des Weißen Hauses zum Rückzug aus Syrien nicht einverstanden war. 

In gewisser Weise hat McGurk mit seiner Einschätzung recht, die Entscheidung als Geschenk zu bezeichnen - zumindest was Moskau betrifft.

Der Kampf gegen die USA

Als der russische Präsident Wladimir Putin im September 2015 Truppen nach Syrien sandte, wollte er nicht nur Baschar al-Assad aus der Klemme helfen. Putin wollte hauptsächlich beweisen, dass er die - wie er glaubte - globale Strategie der USA stoppen könnte, Regime auszutauschen, die den Vereinigten Staaten nicht genehm sind. Alles andere - Russlands militärische Präsenz im östlichen Mittelmeer abzusichern, neue Waffensysteme zu testen oder den wenigen Verbündeten zu beweisen, dass auf Moskau Verlass ist - war zweitrangig. 

von Eggert Konstantin Kommentarbild App
Konstantin Eggert

Putin bekämpfte in Syrien gar nicht so sehr Assads Gegner, sondern Washington. Der Widerwillen von Ex-US-Präsident Barack Obama, direkt in den Konflikt verwickelt zu werden, half dem russischen Führer, sich selbst als Vermittler im Nahen Osten zu etablieren - und das bei minimalem Aufwand. Nach mehr als zwei Jahrzehnten der Abwesenheit meldete sich Russland unter Putin in der Region zurück.

Einerseits ist der Rückzug der US-Truppen aus Nordsyrien also ein Sieg für Putin. Andererseits waren die USA für Russland in der Region, in der jeder gegen jeden ist, ein externer Gesprächspartner. Dieser fällt nun weg.

Iran, Israel, Saudi-Arabien, Türkei: ein kompliziertes Freundschaftsgeflecht

Das iranische Regime ist in Syrien zwar offiziell der engste Verbündete von Moskau, es misstraut aber Russland zutiefst. Teheran gefällt Putins enge Beziehung zum israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nicht. Die Iraner vermuten - meiner Ansicht nach zurecht -, dass sich Moskau nicht in den Weg stellen wird, sollte Israel dem Iran militärisch entgegentreten. Ihnen gefällt auch nicht, dass Assad wegen Putins Anwesenheit in Syrien Abstand zum Iran halten kann, wenn er das will.

Den Israelis wiederum schmeckt die enge Verbindung Russlands zum Iran nicht, inklusive der Waffendeals, der milden Haltung Moskaus zum iranischen Atomprogramm und der Verteidigung des Irans durch Russland auf internationalem Parkett wie zum Beispiel bei den Vereinten Nationen. In der israelischen Öffentlichkeit wird Putin überwiegend als einer der großen Streiter für die iranische Sache angesehen. Israel wiederum hat in Washington massives politisches und diplomatisches Gewicht, daran wird Putin nie heranreichen können.

Saudi-Arabien Wladimir Putin, Ankunft in Riad
Am Montag wurde Putin von den Saudis in Riad empfangenBild: picture-alliance/dpa/TASS/A. Nikolsky

Saudi-Arabien hatte den russischen Präsidenten erst vor ein paar Tagen in Riad zu Gast. Das Königreich bewertet den frisch geknüpften, regelmäßigen Kontakt mit dem Kreml als nützliches Mittel, um sich etwas unabhängiger von Washington zu machen. Aber bis auf Weiteres sind die Saudis für ihre Verteidigung stark auf die USA angewiesen.

Außerdem betrachten sie den russischen Verbündeten Iran als ihren Todfeind. Ein Teil des "Werbens" um Putin vonseiten des Kronprinzen Mohammed bin Salman ist ein Versuch, die Verbindung Moskau-Teheran zu schwächen. Dem russischen Präsidenten gefallen diese Bemühungen. Es stärkt sein Ansehen. Außerdem ist er an einer Beziehung zu Riad wegen dessen führendem Einfluss in der Organisation erdölexportierender Staaten OPEC interessiert. Aber Putin verabscheut den Gedanken, sich zwischen den Saudis und den Iranern zu entscheiden, sollte es zwischen den beiden knallen.

Aktuell ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Russlands verlässlichster Partner in der Region. Putin gefällt die Tatsache, dass sich die Türkei unter seiner Führung in den Augen vieler zum schwächsten Glied des Verteidigungsbündnisses NATO entwickelt hat. Im Weltbild Moskaus ist nur Weniges wichtiger, als das Bündnis zu schwächen. Im Juli stand Erdogan zu seiner Entscheidung, das russische Flugabwehrsystem S-400 zu kaufen, obwohl Washington dagegen war. Zweifellos schätzt Erdogan auch Putins stille Zustimmung zu seinem Angriff auf die Kurden. Aber wird Moskau für ihn da sein, sollten sich die USA, insbesondere der Kongress, entscheiden, tatsächlichen Druck auf die Türkei auszuüben? Ich bezweifle es.

Der Abgang könnte schwierig werden

Schließlich gibt es auch noch die russischen Bürger, die der Abenteuer in Putins Außenpolitik überdrüssig werden. Während in Russland das real verfügbare Einkommen das fünfte Jahr in Folge gesunken ist, wollen 55 Prozent der Russen den Syrieneinsatz so schnell wie möglich beendet wissen, ermittelte das unabhängige russische Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum im April.

Putin ist sich der Verschiebungen in der öffentlichen Stimmung bewusst. Er bereitet sich auf einen unsicheren politischen Übergang vor, wenn seine vierte Amtszeit als Präsident 2024 oder sogar früher endet. Unter diesen Umständen klingt es nach einer besseren Idee, den Sieg zu erklären und Syrien zu verlassen, als mehrere "Zweckallianzen" unter einen Hut zu bekommen, von der jede risikobehaftet ist. Aber wird das Assad-Regime ohne russische Unterstützung überleben? Was passiert mit den russischen Flottenstützpunkten, wenn die Region in einen Krieg stürzt?

Sein Engagement im Nahen Osten vor vier Jahren zu beginnen, war für Russland einfach. Sich dort nun wieder selbst herauszuziehen und  dabei die Erfolge zu bewahren, dürfte Putin viel schwerer fallen. Trumps "Geschenk" könnte sich als knifflige Angelegenheit erweisen.