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Tsipras will es nochmal wissen

Jannis Papadimitriou
Jannis Papadimitriou
21. August 2015

Wieder einmal entpuppt sich der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras als Meister wahltaktischer Schachzüge. Allein durch Taktik ist sein Land allerdings nicht zu retten, betont Jannis Papadimitriou.

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Griechenland Alexis Tsipras Rücktritt (Symbolbild)
Bild: picture-alliance/dpa/A. Vlachos

Wie so oft in der Vergangenheit war Tsipras auch diesmal für eine Überraschung gut: Ursprünglich wollte der Linkspremier und Syriza-Chef die Vertrauensfrage stellen. Anschließend spielte er mit dem Gedanken, Sparauflagen doch noch in einer - eigens einberufenen - Sommersitzung des Parlaments durchzuwinken, schließlich entschied er sich - scheinbar spontan - zum Rücktritt. Einfach gehen und den Staatspräsidenten Prokopis Pavlopoulos machen lassen? Bis vor kurzem eine Schreckensvorstellung, wenn man die Konsequenzen mitberücksichtigt.

Der Präsident schwieg erstmal

Denn: Nach herrschender Verfassungsauslegung müsste der Präsident in diesem Fall erst einmal einen weiteren Auftrag zur Regierungsbildung an Tsipras und anschließend, wenn nötig, auch an die zweitgrößte oder die drittgrößte Partei geben, bevor er den Weg für Neuwahlen freimacht. Womit erstmals auch die rechtsradikale "Goldene Morgenröte" als drittstärkste Kraft einen Anlauf zur Bildung einer Regierung unternehmen dürfte.

Dass Pavlopoulos bis zum frühen Freitagmorgen keine Äußerung von sich gab, sorgt für Spekulationen. Legt das Staatsoberhaupt die Verfassung anders aus oder kommt eine große Koalition doch noch zustande? Oder: Wird möglicherweise die innerparteiliche Syriza-Opposition nach ihrer Abspaltung als drittstärkste Parlamentspartei einen Auftrag zur Regierungsbildung ergattern, damit die Rechtsradikalen außen vor bleiben? Kaum etwas könnte noch überraschen im griechischen Politikbetrieb.

Doch die Hauptfrage bleibt: Warum will es Tsipras noch mal wissen? Die Antwort lautet: Weil es nicht anders geht. Tsipras ist zum Parteichef ohne Partei geworden, nachdem Dutzende Linksabgeordnete ihm die Gefolgschaft verweigert haben und wichtige Gesetzesvorlagen nur noch dank der Oppositionsstimmen durchkommen. Eine Neuwahl hat den Vorteil, dass der Linkspremier seine Wahllisten nach Gutdünken gestalten und Bremser außen vor lassen darf. Eine sofortige Wahl böte den zusätzlichen Reiz, dass die radikalen Linken um den inzwischen geschassten Energieminister Lafazanis kaum Zeit hätten, ihre mehrmals angekündigte Front gegen die Austeritätspolitik zu bilden, um Tsipras Stimmen abzujagen. Nicht umsonst beschwerte sich Lafazanis am Donnerstag lautstark über die ungewöhnlich kurze Wahlkampfdauer. Dabei konnte es ihm zuletzt nicht schnell genug gehen mit dem Wahlkampf vor dem jüngsten Referendum.

Jannis Papadimitriou für App PROVISORISCH
Jannis Papadimitriou, DW-Korrespondent

Was die Geschichte lehrt ...

Die Geschichte Griechenlands lehrt, dass eine linksgerichtete Partei nur dann Erfolg hat, wenn sie die Mitte der Gesellschaft erreicht und von einer charismatischen Persönlichkeit angeführt wird. Die Syriza-Partei von Tsipras scheint diese Voraussetzungen zu erfüllen, die noch im Entstehen befindliche Truppe um Lafazanis vermutlich nicht. Sollte Tsipras die Gunst der Zeit nutzen und radikale Syriza-Kräfte durch eine Neuwahl loswerden, wäre sein Talent zum Taktieren erneut bewiesen. Das Problem ist nur: Der dritte Urnengang innerhalb von sieben Monaten löst kein einziges finanzielles Problem. Im Gegenteil, er kostet sogar viel Geld.

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