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Unsportliche Gelegenheits-Zuschauer

DW Kommentarbild Sarah Wiertz
Sarah Wiertz
17. Dezember 2017

Man kann mal wieder über den Video-Schiedsrichter schimpfen. Oder sich über die 36 Tore an diesem 17. Spieltag freuen. Oder sich über die Möchtegern-Fans bei Borussia Mönchengladbach aufregen, so wie es Sarah Wiertz tut.

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Bundesliga Borussia Moenchengladbach - FC Schalke 04 Micael Cuisance
Bild: picture-alliance/ Fotostand

3:1 gewonnen, 28 Punkte in der Hinrunde gesammelt, fünfter Tabellenplatz - aber Max Eberl zürnte: "Ich finde es eine bodenlose Frechheit, wenn man unsere Mannschaft, die ein hervorragendes Heimspiel macht, bei Rückpässen auspfeift. Es geht mir so auf den Sack", so der Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach nach dem Heimspiel gegen den Hamburger SV.  Und dabei werden hier nicht seine Kraftausdrücke zitiert. Was war passiert?

Beim zwischenzeitlichen Ausgleich des HSV pfiffen Zuschauer und vermeintliche Borussia-Anhänger, als Mickaël Cuisance und Reece Oxford teilweise lieber hinten rum den sicheren Ball als direkt nach vorne spielten. Zwei 18-jährige Spieler als Doppel-Sechs vor der Abwehr erstmals zusammen auf so wichtigen Positionen - Trainer Dieter Hecking war aufgrund der Personalnot ein hohes Risiko eingegangen: "Sie haben es überragend gemacht, das habe ich nicht erwartet", so Hecking.

Zahlen sprechen für Cuisance und Oxford

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DW-Redakteurin Sarah Wiertz

Nicht zu erwarten waren deshalb die Pfiffe von der Tribüne: Der Franzose und der Engländer machten nämlich nur wenige Fehler. Cuisance brachte 84 Prozent seiner Bälle an den Mann, bei Oxford waren es sogar 97 Prozent. Für Cuisance war es immerhin der neunte Bundesliga-Einsatz - der erste über 90 Minuten, Oxford stand zum dritten Mal in der Liga auf dem Platz. Beide hätten auch ein Tor verdient gehabt, der eine traf nur den Pfosten, der andere die Latte. Und am Gegentor traf sie keine Schuld.

Und selbst wenn die beiden Fehler gemacht hätten: Steht nicht gerade Nachwuchsspielern dies auch zu? Erwarten die Zuschauer von den Youngstern tatsächlich ein Auftreten à la Schweinsteiger und Xavi? Sollten Anhänger gerade beim sensiblen Stand von 1:1 die Mannschaft nicht besser unterstützen als verunsichern? Die da gepfiffen haben, sind genau die selbsternannten Fans, die im nächsten Spiel meckern, dass die Topspieler des Klubs satt seien und doch bitte mal den jungen Spielern mehr Einsatzzeiten eingeräumt werden müssten. Die sich nach einem taktisch und technisch hoch versierten 1:1 über zu wenig Unterhaltung beklagen. Eben die, die nach zwei aufeinanderfolgen Siegen den Fanshop leer kaufen und bei zwei aufeinanderfolgen Niederlagen ihr ganzes Merchandising wieder bei Ebay verhökern.

Wer ist hier verzichtbar?

"Die Leute, die pfeifen, das sind keine Fans", sagte auch Nationalspieler Matthias Ginter. "Ich rede nicht von der Nordkurve. Ich rede von den Zuschauern, die ab und an mal Fußball gucken und erhöhte Erwartungshaltung haben", analysierte Eberl. Dank des leidenschaftlichen Managers ist Mönchengladbach kein Klub, der nach zwei Bundesliga-Erfolgen in Folge den Europapokal-Sieg verkündet und in der nächsten Saison um den Abstieg spielt. Dank seiner ist die Borussia ein solider Klub, der seit mehreren Jahren konstant um die internationalen Plätze mitspielt. Und dank seiner ist der Verein am Niederrhein eine Top-Adresse in Europa für junge, talentierte Fußballer, die hier behutsam ihr Potential ausbauen können. Auf Rohdiamanten wie Cuisance und Oxford kann ein Klub wie Mönchengladbach nicht verzichten. Auf solche selbsternannten, unsportlichen Fans dagegen sehr gut.

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Sarah Wiertz Teamleiterin Sport Online