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Politik

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DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
5. Juni 2018

Die Bürger des Königreichs im Herzen der arabischen Welt setzen seit Jahren trotz schwierigster Umstände auf politischen Pragmatismus. Das muss honoriert werden, meint Kersten Knipp - und zwar aus vielerlei Gründen.

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Proteste in Jordanien
Bild: picture-alliance/AP/dpa/R. Adayleh

In Jordanien hat sich in den vergangenen Jahren so etwas wie ein kleines Wunder ereignet: Rings um den kleinen Wüstenstaat lodern die Flammen von Terror und Krieg: Im Norden das kriegszerrissene Syrien. Im Osten der aus anderthalb Jahrzehnten Anarchie sich befreiende Irak, im Südosten das Königreich Saudi-Arabien, lange Jahre - vermutlich auch weiterhin - der weltweit größte Exporteur eines giftigen religiösen Extremismus. Im Westen, ausgetragen zwischen Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten, der Nahostkonflikt, der wie kaum ein anderer zur Mobilisierung der so genannten "arabischen Straße" geeignet ist. Und weiter im Nordwesten, wenngleich nicht als unmittelbarer Nachbar, der Libanon, Heimstatt der vom Iran geführten Hisbollah, beide entschlossen, die Region zusätzlich aufzuheizen.

Von all dem haben sich die Jordanier, abgesehen von einer kleinen, radikalen und in die Reihen des "Islamischen Staats" ausgewanderten Minderheit, nicht beeindrucken lassen. Angesichts der entfesselten Zerstörungswut ringsum haben sie es vorgezogen, sich nicht von politischen und ideologischen Passionen reiten zu lassen. Als "Stimme der Vernunft im Nahen und Mittleren Osten” bezeichnete darum der deutsche Außenminister Heiko Maas das Land bei seinem Besuch im April dieses Jahres. Nach Israel und den palästinensischen Gebieten war es das zweite, das er in der Region besuchte.

Protest und Ökonomie

Jetzt aber hat es die Jordanier auf die Straße getrieben, aus einem der überzeugendsten und ehrenwertesten Gründe überhaupt: der Forderung nach - mindestens - Erhalt des Lebensstandards. Dieses bröckelt nämlich derzeit, und zwar auch aufgrund einiger Bedingungen des Internationalen Währungsfonds (IWF), die dieser mit einem Darlehen für den chronisch klammen Staat verbunden hat.

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DW-Autor Kersten Knipp

Diese sehen die Anhebung der Einkommensteuer um fünf Prozent für Jahreseinkommen von umgerechnet über 11.000 Euro vor. Auch die Unternehmenssteuer soll angehoben werden. Bereits zu Beginn des Jahres waren die Mehrwertsteuer erhöht und Subventionen für Brot gestrichen worden. Auch die Preise für Grundnahrungsmittel sind massiv gestiegen. Diese Entwicklung trifft vor allem die armen und mittelständischen Jordanier. 

Die gehen nun auf die Straße - Berichten von Beobachtern zufolge in weitaus größerer Zahl als 2011, dem Jahr des damals noch so genannten "Arabischen Frühlings". Auch beschränken sich die Demonstranten bislang auf rein ökonomische und politische Forderungen. Zu ihnen gehören eine größere Effizienz und Transparenz der Verwaltung, ebenso auch ein Ende der Korruption.

Pragmatismus statt Fundamentalismus

Die Jordanier haben sich bislang in bewundernswerter Weise ihren Pragmatismus erhalten - und auf diese Weise ganz nebenbei ihren Staat vor dem Zerfall gerettet. Dazu hat auch die kluge, nach innen wie außen auf Ausgleich setzende Politik des Königs erheblich beigetragen.

Schon darum haben die westlichen Staaten allen Anlass, das Land nach Kräften zu unterstützen. Sollte auch in Amman die politische Ordnung zerbröckeln, hätte das enorme Folgen weit über den Nahen Osten hinaus. Immerhin leben derzeit mehr als eine Million syrische Flüchtlinge in Jordanien. Ein Zusammenbruch Jordaniens könnte auch die EU unter massive Stresstests stellen.

Engagement für Jordanien ist aber auch deshalb wünschenswert, weil die Bevölkerung trotz aller Schwierigkeiten stoisch an ihre Zukunft glaubt. Eben darum hat sie sich den konfessionellen und ethnischen Verwerfungen, die die Populisten rings um die Landesgrenzen für sich ausnutzen wollen, bislang verweigert. So trägt Jordaniens Bevölkerung das Ihre dazu bei, dass Jordanien in der arabischen Welt als Beispiel eines gelingenden Staates gelten kann. Bräche dieser zusammen, könnten viele Araber endgültig den Glauben an die politische Vernunft verlieren - mit unübersehbaren Folgen auch für Europa, das sich in globalisierten Zeiten als unmittelbarer Nachbar der Region verstehen muss.  

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DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika