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Politik

Verantwortlich sind die Autoren

Jan Walter Autorenfoto
Jan D. Walter
6. April 2017

Für Beleidigungen, Hass und Gewaltaufrufe im Internet können nicht die Sozialen Netzwerke zur Rechenschaft gezogen werden, sondern ausschließlich die Urheber, also die Nutzer der Netzwerke, meint Jan D. Walter.

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Symbolbild Facebook Hass-Kommentare
Bild: picture-alliance/chromorange/R. Peters

Die Gedanken sind frei. Das schließt auch Meinungen und Gefühle ein. Strafbar kann allerdings ihre Verbreitung sein. Denn auch Sprache - ganz gleich ob schriftlich oder mündlich - ist eine Handlung, die Wirkung erzielt. Und deswegen der Restriktion durch Gesetze unterliegt

Ab wann etwa Aufrufe zu Gewalt oder persönliche Beleidigungen Straftaten sind, müssen Richter entscheiden. Für eine Straftat belangt werden, kann aber nur der Täter - oder "wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat". So steht es im deutschen Strafgesetzbuch.

Bundesregierung verlagert Verantwortung

Facebook & Co. kommen dafür nicht in Betracht - auch nicht als derjenige, der "Hilfe geleistet hat". Deswegen droht ihnen die Bundesregierung mit dem "Netzwerkdurchsetzungsgesetz" auch kein strafrechtliches Verfahren an. Betreiber von Internetplattformen sollen jedoch Millionenstrafen zahlen, falls sie strafbare Äußerungen nicht schnell genug beseitigen.

Walter Jan D. Kommentarbild App
DW-Autor Jan D. Walter

Das Gesetz nimmt die Anbieter Sozialer Medien also faktisch in Mithaftung für die Taten ihrer Nutzer. Das ist jedoch ein höchst fragwürdiges Anliegen. Nicht nur weil es eine Kernaufgabe der Justiz - nämlich über die Strafbarkeit einer Tat zu urteilen - in private Hände legt. Sondern es überträgt den Unternehmen auch ein Stück der Verantwortlichkeit für die Tat.

Würde man das gut heißen, müsste man auch Daimler und Audi dafür zur Verantwortung ziehen, wenn mit ihren Fahrzeugen gezielt Straftaten verübt werden, die es - spätestens das Berliner Raserurteil von Ende Februar hat das juristisch belegt - auch im Straßenverkehr gibt.

Diese Idee ist aber bisher noch nie ernsthaft diskutiert worden. Und zwar ausnahmsweise einmal nicht wegen der Autolobby, sondern weil die Idee absurd ist: WMF oder Opinel für ein Familiendrama - ausgeübt mit einem ihrer Messer - belangen? Hilti oder Bosch für das Knacken eines Tresors? Aral oder Shell für einen Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim? Bisher gibt es auch keine Debatte über ein Bußgeld für Rheinmetall für den Fall, dass - wie in Kairo geschehen - mit ihren Panzern Demonstranten überrollt werden.

Maschinen und Software begehen keine Straftaten

Facebook mit Strafen zu drohen, falls ein User die Grenze der Meinungsfreiheit übertritt, ist nicht weniger absurd. Denn so wenig die Firmen Daimler und Audi mit 150 Stundenkilometer durch Innenstädte rasen, so wenig verbreitet Facebook als Unternehmen seine Meinungen in der Welt. Das tun die Nutzer von Facebook. Also Menschen. Sie, und nur sie, tragen die Verantwortung für ihre Handlungen.

Wenn die Bundesregierung also ernsthaft etwas gegen Hasskommentare unternehmen will, sollte sie es auf deren Urheber absehen und - falls nötig - deren Strafverfolgung stärken. Staatsanwälte oder Untersuchungsrichter dürfen schon heute Daten und Informationen über Nutzerprofile einfordern. Wenn Strafverfolgungsbehörden hier weitere legislative Unterstützung benötigen, etwa bezüglich der Identifizierung und somit der Ermittelbarkeit von Usern, dann muss man darüber diskutieren.

Diskutieren muss man aber auf jeden Fall: Ist es wirklich wünschenswert, ein Unternehmen darüber entscheiden zu lassen, welche öffentlichen Äußerungen vom Gesetz gedeckt sind und welche nicht? Bisher war das die Aufgabe einer im Rahmen der Gewaltenteilung unabhängigen Justiz. Und damit hat man in den westlichen Demokratien durchweg gute Erfahrungen gemacht. Warum will man das ändern?

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Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.