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Verdächtige Eile

1. Dezember 2015

Vermutlich muss sich die Bundeswehr am militärischen Einsatz gegen die Terrormiliz IS beteiligen. Doch die parlamentarische Eile, die die Bundesregierung nun an den Tag legt, irritiert, meint Christoph Strack.

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Tornado-Aufklärungsflugzeuge im Flug (Foto: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld)
Bild: picture-alliance/Photoshot

Vermutlich muss sich die Bundeswehr am militärischen Einsatz gegen den sogenannten "Islamischen Staat" (IS) beteiligen. Frankreich hat nach dem Terror von Paris vertragsgerecht um Beistand der EU-Partner gebeten. Deutschland selbst würde gewiss entsprechende Hilfe in Anspruch nehmen. Doch die parlamentarische Eile, die die Bundesregierung nun unnötigerweise an den Tag legt, irritiert.

Militärische Gewalt in einem Konflikt darf immer nur letztes Mittel sein, darf nur dem Ziel dienen, unberechtigte, grausame Gewalt zu stoppen und auf eine friedlichere Zukunft hinzuarbeiten. Vieles spricht dafür, dass das militärische Vorgehen gegen die Terrorkämpfer des IS, die selbst den Tod zelebrieren und den Krieg wollen, diesem Ziel dient und ethisch zu rechtfertigen ist. Dabei muss eine Verhältnismäßigkeit stets gegeben sein.

Konsequenz der Solidarität

Wer als Politikerin oder Politiker in den Stunden nach dem 13. November verkündete, dass der Terror von Paris allen Europäern gegolten habe und dass es Berlin wie Wien wie Paris treffe, wird da schon Konsequenzen im Blick gehabt haben. In den Bündnissen – der EU wie der NATO – gibt es unterschiedliche Stärken und Kapazitäten. Die grundsätzliche Anfrage der französischen Seite nach medizinischer Unterstützung durch die Bundeswehr im Falle eines "Großschadens" zeigt das. Frankreich selbst leistet im Norden des Mali seit langem Kampfeinsätze, die der Bundeswehr (und der Bundesregierung) erspart bleiben.

"Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen", heißt es im EU-Vertrag. Darum geht es jetzt, durch die Bereitstellung von Tornado-Aufklärungsflugzeugen, einer deutschen Fregatte an der Seite des französischen Flugzeugträgers im Mittelmeer, auch durch die weitere deutsche Ausbildung von Peschmerga-Kämpfern im Nordirak.

Christoph Strack
DW-Korrespondent Christoph StrackBild: DW

Die politische Zustimmung zum Einsatz der Bundeswehr im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischen Staat" geht über das Lager der großen Koalition hinaus. Um so irritierender, ja verdächtiger ist dann die Eile, mit der das Mandat durch den Bundestag gepeitscht werden soll. An diesem Dienstag entschied das Bundeskabinett, am Mittwochmittag soll im Plenum des Bundestages die Erste Lesung anstehen, am Donnerstag folgen Beratungen in den Ausschüssen, am Freitag dann beschließt das Parlament in Zweiter und Dritter Lesung. Wetten, dass es Abgeordnete gibt, die am Schluss nicht wissen, wie viele Flieger und Soldaten es genau sein werden. Bei einer solchen Frage, bei der es eben nicht reicht, vor der Abstimmung noch mal nach dem Wink des Fraktionsvorsitzenden zu fragen.

Zeit zum Nachdenken

Wenn es ernst wird in der deutschen Politik, wird es immer hektisch. Bei der Euro-Rettung, bei Griechenland-Hilfspaketen, bei der ersten Asylrechtsänderung. Im ein oder anderen Fall mag das berechtigt sein, festgeschriebene Fristen aufzuheben. Im aktuellen Fall des Bundeswehr-Einsatzes gegen den IS wirkt es wie eine Missachtung des Parlaments und der Öffentlichkeit. Die Tornados sollen nicht mehr in diesem Jahr starten - da reicht doch eine Bundestags-Entscheidung in der letzten Sitzungswoche vor Weihnachten, in zwei Wochen. Warum sollen Abgeordnete nicht Zeit zum Nachdenken haben?

Jeder weiß um die schwierigen Rahmenbedingungen des militärischen Einsatzes im aktuellen Konflikt. Daran erinnert jeden Tag die Auseinandersetzung zwischen Ankara und Moskau nach dem türkischen Abschuss eines russischen Bombers. Und jeder weiß um die Dramatik des Einsatzes von Militär und Luftwaffe - daran erinnern der von deutscher Seite veranlasste US-Bombenangriff auf zwei von Taliban entführte Tanklastwagen nahe Kundus im September 2009 und das (irrtümliche?) US-Bombardement einer Klinik der "Ärzte ohne Grenzen" Anfang Oktober diesen Jahres. Bewaffnetes Handeln ist schwer auszuhalten, immer. Und es muss gelegentlich doch ausgehalten werden. Um so wichtiger wäre es, dem deutschen Parlament Zeit zur Entscheidung zu lassen.

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