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Kommentar: Vom NFL-Star zum Sündenbock

DW Kommentarbild Jörg Strohschein
Jörg Strohschein
23. Dezember 2017

Colin Kaepernick bezahlt teuer für seinen "Take a knee“-Protest gegen Rassismus in den USA. Der Star-Quarterback ist ohne Job. Präsident Trump nutzt die Bewegung, um das Land weiter zu spalten, meint Jörg Strohschein.

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Colin Kaepernick
Bild: picture-alliance/epa/J. G. Mabanglo

Es dürfte nur ein schwacher Trost für Colin Kaepernick sein. Der 30-Jährige, der hauptberuflich Quarterback in der NFL ist und als Initiator der jüngsten "Take a knee"-Bewegung gilt, könnte zum Kinostar werden.

Eine Besetzungschefin aus den USA will Kaepernick offenbar für die Komödie "Uncle Drew" anheuern, meldete der US-Boulevard. Sollte der Profisportler dieses Angebot annehmen, dürfte dies nicht ganz freiwillig geschehen. Schließlich wird es Kaepernick in diesen Tagen besonders schwerfallen, für gute Laune zu sorgen.

Team-Besitzer stellen Kaepernick nicht mehr ein

Kaepernick bezahlt seinen friedlichen Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA teuer. Trotz der Unterstützung der Mehrzahl der Spieler der NFL sowie vieler seiner Profisportler-Kollegen aus den anderen großen US-Sportarten wie der NBA (Basketball) oder der MLB (Baseball) und den frühen Solidaritätsbekundungen der Klub-Eigentümer ist Kaepernick seit März 2016 arbeitslos. Und das, obwohl er zu den besten Athleten seiner Sportart in der Geschichte zählt.   

Colin Kaepernick
Friedlicher „Take a knee“-Protest gegen Rassismus: Kaepernick (m) und seine Mitspieler Harold (l) und Reid (r)Bild: Reuters/USA Today Sports/K. Lee

"Ich liebe den Verrat, aber ich hasse Verräter", hatte der römische Kaiser Gaius Julius Caesar einst verkündet. Und so lässt sich auch das Verhalten der Klubbesitzer interpretieren. Einige legten sich sogar kurzfristig mit US-Präsident Donald Trump an. Wirklich einstellen wollte Kaepernick aber kein Team-Besitzer mehr. So weit ging die Solidarität mit dem Revolutionär dann doch nicht. Über 40 Quarterbacks wurden seit vergangenem März im NFL-Franchisesystem verpflichtet, der Sündenbock Kaepernik war nicht dabei.

Trump gießt noch Öl ins Feuer

In einem seiner gefürchteten Tweets nannte Trump Kaepernick einen "Hurensohn" und forderte dazu auf, ihn zu "feuern". Kaepernick selbst solle doch besser "auswandern". Trump befahl - die Eigentümer folgten. Die Bosse opferten ihre Überzeugungen und ihren Widerstand auf dem Altar des weiteren Profits in der überdimensionalen Geldmaschine NFL.

Dass Trump noch Öl in das bereits lodernde (Rassismus-)Feuer goss und alles andere tat, als sich von der Diskriminierung der Schwarzen in den Vereinigten Staaten von Amerika zu distanzieren und die Situation zu befrieden, nahmen und nehmen die Klub-Bosse uneingeschränkt in Kauf.

Trump gelingt es damit, die Gesellschaft mit seinen gestrigen Ansichten von Traditionen, Hymnen-Kult und Heimatliebe weiter zu spalten und den Teil der Amerikaner anzusprechen, die ihn für seine rückwärts-gewandten und zumeist rückständigen Ansichten gewählt haben.   

Martin Luther King Jr. nutzte die Geste bereits im Jahr 1965

Umso bedeutender ist es, dass die "Take a knee"-Bewegung lebendig gehalten wird - und immer wieder auf die seit vielen Jahrzehnten andauernden Missstände hinweist. Gerade von denjenigen, die fraglos die tragende Säule im US-Profisport sind - den farbigen Sportlern.

Kaepernick ist der nächste, der sich gegen die Zustände auflehnt. Er steht mit seinem mutigen Protest in der Tradition der berühmten und ebenfalls überaus mutigen "Black Power"-Aktivisten und Leichtathleten John Carlos und Tommie Smith sowie der Boxerlegende und dem bekennenden Vietnamkriegs-Gegner Muhammad Ali.

Am 1. Februar 1965 kniete bereits Martin Luther King Jr. auf der Straße vor dem Gericht im Dallas County Alabama nieder, um ein Gebet mit einigen Bürgerrechtlern zu sprechen. In Erinnerung daran und auch als Warnung gegen das Vergessen, veröffentlichte das "Martin Luther King Jr. Center des friedlichen sozialen Wandels" jüngst mit Blick auf die "Take a knee"-Bewegung folgendes Statement: Viele sind "mehr der Ordnung als der Gerechtigkeit verpflichtet", beleidigt durch das Knien während der Hymne und nicht durch den Rassismus und das moderne Lynchen.

Kaepernick steht im Rechtsstreit mit der NFL

Colin Kaepernick führt gerade einen Prozess gegen die NFL und deren 32 Klubbosse. Es geht um Schadenersatz und viele Millionen Dollar aufgrund des Arbeitsausfalls. Aber vor allem geht es in dem Prozess darum, dass Kaepernick in der größten Demokratie der Welt seine verfassungskonforme Meinung öffentlich äußern darf, ohne dass ihm weiterhin seine Würde genommen wird.   

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