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Politik

Was steckt hinter Russlands Aggressivität?

Soric Miodrag Kommentarbild App
Miodrag Soric
7. Oktober 2018

Beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister gaben sie es alle zu Protokoll: Russlands Angriffe nehmen zu. Nicht mit Panzern und Raketen, sondern via Internet. Auch das kann einem Plan folgen, meint Miodrag Soric.

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Niederlande PK zu Russische Cyber-Spione des Landes verwiesen
Niederländische und britische Vertreter erklären in Den Haag, warum russische Spione ausgewiesen werdenBild: Imago/Hollandse Hoogte

Die Beweislage scheint erdrückend: Die Geheimdienste der Niederlande, Großbritanniens und der Schweiz nennen Namen und teilweise auch Dienstgrad der russischen Agenten, die hinter der Welle von Cyber-Attacken in jüngster Zeit stecken. Amerikaner, Kanadier, Dänen und Australier klagen ebenfalls über Angriffe russischer Hacker. Auch wenn die Beschwerden gegenüber Moskau auf den ersten Blick ein wenig orchestriert wirken: Niemand zweifelt, dass vor allem russische Agenten westliche Institutionen, Parteien, Unternehmen oder Sportverbände fortdauernd angreifen. Moskau stellt dies zwar in Abrede. Doch macht es das mechanisch, wie eine lästige Übung, oft mit zynischem Unterton.

Hat zivilgesellschaftlicher Dialog noch einen Sinn?

Der Westen antwortet mit Gegenmaßnahmen. Er wir mehr Geld investieren für den schon stattfindenden Cyberkrieg. Gleichzeitig fragen sich viele, was wohl hinter dieser lange ungewohnten Aggressivität des Kremls steckt? Was ist Moskaus Ziel? Denn die sich immer schneller drehende Spirale von Sanktionen und Gegensanktionen führt nirgendwo hin. Am Ende verlieren stets beide Seiten. Der in wenigen Tagen beginnende Petersburger-Dialog, der Vertreter beider Zivilgesellschaften zusammenbringt, hat eigentlich immer wenig Sinn vor dem Hintergrund wachsender Spannungen in Ost und West. Wozu miteinander reden, wenn am Ende doch der grundsätzliche politische Wille zu einem gedeihlichen Miteinander fehlt?

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Miodrag Soric ist Korrespondent in Moskau

Und so spekuliert der Westen weiter, was wohl hinter dem rabiaten Vorgehen der Russen steckt. Was auffällt: Die jüngsten Angriffe führte vor allem der militärische Geheimdienst GRU durch. Und was ebenfalls ins Auge sticht: Wie dilettantisch die Spione vorgingen, welche Spuren sie hinterließen, dass sie sich sogar auf frischer Tat ertappen ließen.

Moskau lassen die Proteste aus dem West kalt. Das erinnert an die Zeiten des Kalten Krieges. Doch selbst damals gab es stets so etwas wie ein Grundvertrauen gegenüber der jeweils anderen Seite. Dieses ist indes völlig erodiert. Wann das genau begann, ist schwer auszumachen: 2007 beschuldigte Präsident Wladimir Putin die Amerikaner und den Westen erstmals massiv, eine unipolare Welt zu schaffen und dabei keine Rücksicht auf Russlands Interessen zu nehmen. Kurze Zeit später begann der Georgien-Krieg. Versuche eines Neuanfangs in den Beziehungen mit Moskau schlugen fehl. Präsident Trumps Ankündigungen, das Verhältnis zu Moskau zu verbessern, scheitern am Widerstand im Kongress. Inzwischen reden die Politiker in Ost und West mehr übereinander, als miteinander. 

Angriffe, um den Militärhaushalt zu stabilisieren?

Geht es auch um Geld? Angesichts der jüngsten Attacken aus Russland steigern die NATO-Länder ihre Verteidigungsausgaben. Präsident Putin hatte eigentlich angekündigt, den Etat für das Militär 2019 wieder zurückfahren zu wollen. Er braucht mehr Geld, um das schwache Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Seine Generäle wird dies nicht freuen. Und schon wird spekuliert, dass deswegen der Militärgeheimdienst GRU die jüngsten Cyber-Angriffe vom Zaun brach. Denn wachsende Spannungen mit dem Gegner sind immer gut für den Wehretat. Andere behaupten, dass Russland sich so verhalte, weil Washington schon beschlossen habe, die Sanktionen Ende November drastisch zu verschärfen. Moskau fehlten somit Anreize für Wohlverhalten.

Was immer hinter der neuen Aggressivität Russlands stecken mag: Irgendwann wird der Kreml wieder zurückrudern müssen. Bessere Beziehungen liegen sowohl im Interesse Russlands und des Westens. Auch eine Allianz mit China ist keine wirkliche Alternative zur Partnerschaft mit dem Westen. Denn Peking ist ein kühler Rechner.