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Politik

Weißrussische Schikane

Makushyna Nathallia Kommentarbild App
Natalia Makuschina
9. August 2018

In Weißrussland läuft ein dubioses Verfahren gegen unabhängige Journalisten - unter ihnen ist auch ein DW-Korrespondent. Das Verfahren ist ein Versuch, kritische Journalisten zu diskreditieren, meint Natalia Makuschina.

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Weißrussland Minsk Gespräche zur Ukraine-Krise
Bild: DW/Pavluk Bykowsky

Ein weißrussisches Ermittlungskomitee hat mindestens zehn Journalisten unabhängiger Medien festgenommen. Am 7. und 8. August wurden die Büros des landesweit größten Internetportals "tut.by", der Nachrichtenagentur "BelaPAN", das Immobilienportal "Realt.by", der Redaktion der Zeitung "Kultura" sowie Wohnungen von Redakteuren und Journalisten durchsucht. Beschlagnahmt wurden Festplatten von Computern. Unter den Festgenommenen ist auch der DW-Korrespondent in Minsk, Paulyuk Bykowski. Der Gründer von "tut.by", Juri Zisser, wurde zum Verhör vorgeladen.

Anlass für ein Strafverfahren "wegen unbefugten Zugriffs auf Computerinformationen" war eine Beschwerde des Managements der staatlichen Nachrichtenagentur "BelTA". Abonnenten hätten sich über Ausfälle bei der Nutzung kostenpflichtiger Inhalte beklagt. Die Präsidenten-Zeitung "Sowjetskaja Belorussija" veröffentlichte umgehend auf ihrer Webseite Bilder von der Durchsuchung bei "tut.by" sowie zwei kurze Fragmente aus Telefongesprächen. Darin, so die Ermittler, würden die Chefredakteurin des Portals Maria Solotowa und ihre Kollegin Anna Kaltigina über Möglichkeiten sprechen, wie man an Inhalte der Agentur "BelTA" herankommen könne.

Kein Monopol auf Informationen

Das weißrussische Außenamt erklärte eilig, man habe es hier nicht mit einem Vorgehen gegen die Pressefreiheit zu tun, sondern lediglich mit einem "banalen, unbefugten Zugang zu kostenpflichtigen Informationen". Doch die Festnahme von Menschen, um sie drei Tage lang zu verhören, sowie ein angeblich abgefangenes Telefonat, das zum Anlass für strafrechtliche Verfolgungen genommen wird, zeigen, dass die weißrussischen Behörden eindeutig im Geiste der Zeit Stalins agieren, als ein Geständnis die Königin aller Beweise war.

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DW-Autorin Natalia Makuschina

Es ist kein Geheimnis, dass Abonnenten die Meldungen von "BelTA" nur ein klein wenig früher lesen können als alle anderen, die die öffentlich zugängliche Webseite der Nachrichtenagentur besuchen. Schon 15 Minuten nach der Publizierung werden die Agenturmeldungen für alle zugänglich. Selbst wenn jemand fremde Passwörter und Logins verwendet hat, um kostenpflichtige Inhalte zu lesen, dann ist das eher ein Problem der Agentur selbst, die ihren Datenschutz nicht im Griff hat. Die Übernahme von Material der Nachrichtenagentur - unter Hinweis auf "BelTA" als Quelle - kann nicht als Diebstahl betrachtet werden. Noch hat niemand in Weißrussland ein Monopol auf Informationen verkündet.

Im weißrussischen Internet werden inzwischen Witze gemacht: Was soll man auf der Webseite von "BelTA", dem staatlichen Sprachrohr der autokratischen Regierung von Präsident Alexander Lukaschenko, überhaupt stehlen? Etwa Informationen darüber, wie viel Getreide während der Ernte gedroschen wurde? Daher stellt sich die Frage: Warum wird ein zivilrechtliches Problem zu einem Strafverfahren mit Durchsuchungen, mit Beschlagnahmungen von Dokumenten und mit Untersuchungshaft von Verdächtigen in Einzelzellen aufgebläht?

Unabhängige Journalisten werden unterdrückt

Das ganze Strafverfahren ist weit hergeholt. Das Hauptziel besteht überhaupt nicht darin, gegen einen unbefugten Zugang zu Inhalten von "BelTA" vorzugehen. Das Verfahren ist ein klares Zeichen dafür, dass Einschüchterung und Diskreditierung von Journalisten, die nicht für regierungsnahe Medien tätig sind und unter extremen Druck arbeiten müssen, längst Teil der Arbeit der Sicherheitsbehörden geworden ist.

In Weißrussland ist bereits der Zugang zu den unabhängigen Internetquellen "charter97.org" und "belaruspartisan.by" blockiert. Immer wieder gibt es Festnahmen und Gerichtsverfahren gegen freiberufliche Korrespondenten des TV-Senders "Belsat" und der Radiostation "Racyja", die beide aus Polen nach Weißrussland senden. Die Geldstrafen gegen die Journalisten summieren sich schon auf Zehntausende von US-Dollar.

Natürlich wäre es jetzt am vernünftigsten, die strafrechtliche Verfolgung der Journalisten zu beenden und den Wirtschaftssubjekten die Möglichkeit zu geben, die Situation selbst zu klären. Aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass die weißrussischen Behörden wohl kaum auf die Stimme der Vernunft hören werden.

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