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Politik

Welchen Weg geht Brasilien?

Kommentarbild Alex Schossler PROVISORISCH
Alex Schossler
5. April 2018

Sechs Monate vor der Präsidentschaftswahl in Brasilien ist völlig unklar, wer das Land bald führen wird. Die mögliche Inhaftierung Lulas erhöht die Unsicherheit, aber auch die Wut im Land, meint Alexandre Schossler.

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Brasilien - Proteste gegen Luis Inácio Lula da Silva
Lula da Silva mobilisiert die Massen - hier wird in Rio de Janeiro seine sofortige Inhaftierung gefordertBild: Getty Images/AFP/M. Pimentel

Brasilien ist gespalten. Der Graben zwischen Lula-Anhängern und Kritikern ist tief. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, den Haftbefehl gegen den ehemaligen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva zu vollstrecken, verschärft die Situation noch mehr.

Die Beweise lasten schwer auf dem national und international einst verehrten Ex-Präsidenten: Seine vielfältigen und ominösen Beziehungen zum Baukonzern Odebrecht sind belegt. Trotzdem muss man sich angesichts des Urteils Sorgen machen. Nämlich darum, wohin es die brasilianische Gesellschaft treibt.

Das Klima wird explosiver

Nur weniger als ein halbes Jahr ist es noch bis zu der Präsidentschaftswahl im Oktober. Und das Land driftet allem Anschein nach  unweigerlich ins Chaos. Dass Lula - und damit ein verurteilter Straftäter - im Oktober kandidieren will und auch noch in allen Umfragen führt, ist jedoch nicht der einzige Grund dafür.

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Alexandre Schossler, DW-Brasilianisch

Denn mit dem aktuellen Gerichtsentscheid ist Lula höchstwahrscheinlich aus dem Rennen. Dass er es mit einem Ritt durch die juristischen Instanzen noch bis ins Präsidentenamt und somit in die Immunität schafft, ist unwahrscheinlich. Doch das wird seine zahlreichen Anhänger im Land frustriert und aufgebracht zurücklassen. Für sie ist Lula allein Opfer einer politischen Verschwörung. Das angespannte Klima, das zwischen Lula-Anhängern und -Gegnern herrscht, wird von Tag zu Tag explosiver. Das zeigen nicht zuletzt die Schüsse, die Ende März auf Lulas Fahrzeugkonvoi abgegeben wurden.

Hinzu kommt die nicht enden wollende Gewalt in den großen Städten des Landes, die in Rio de Janeiro einen neuen blutigen Höhepunkt erreicht hat. Die Ermordung der Aktivistin und Kommunalpolitikerin Marielle Franco Mitte März hat das Gefühl der Unsicherheit vieler Brasilianer - besonders der Ärmeren - erneut verstärkt. Dass ein Mord wie dieser offensichtlich ungestraft bleibt, ist dabei weiteres Öl ins Feuer des Misstrauens gegenüber den staatlichen Institutionen.

Rechtsextremer Kandidat mit guten Chancen

Der Lösungsweg vieler dieser frustrierten Brasilianer beruhigt da nicht gerade: Auf Platz zwei der derzeit aussichtsreichsten Kandidaten für das Präsidentenamt steht laut Umfragen der Rechtsextreme Jair Bolsonaro. Er verteidigt die Militärdiktatur der Jahre 1964 bis 1985 und plädiert für die Wiedereinführung der Todesstrafe.

Die brasilianischen Wähler entscheiden sich selten für das Extreme - sei es von links oder von rechts. Die umfassende Untersuchung des milliardenschweren Korruptionsskandals, die unter dem Namen "Operation Lava Jato" bekannt wurde, hat aber alle traditionellen Politiker und Parteien des Landes massiv in Verruf gebracht, was den Weg für Populisten frei macht. Dass die Wahl eines Hardliners wie Jair Bolsonaro nicht mehr auszuschließen ist, ist kein gutes Zeichen.

Was für ein Land wird Brasilien in sechs Monaten sein? Wen wird das größte Volk Südamerikas an die Spitze seines Staates wählen? In der Vergangenheit waren die Kandidaten mit den größten Chancen relativ sicher vorhersehbar, auch die politische, wirtschaftliche und soziale Situation war stabiler. Doch im Jahr 2018 ist Brasilien ein Land großer Ungewissheit.

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