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Wille zur Gemeinsamkeit

Peter Stützle 24. August 2007

Geht der großen Koalition, die seit Ende 2005 in Deutschland regiert, die Puste aus? Gibt es also keine großen Projekte mehr für die zweite Halbzeit? Keineswegs, meint Peter Stützle in seinem Kommentar.

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Bild: DW

Mit Zustimmungsraten über siebzig Prozent steht Bundeskanzlerin Angela Merkel in Wählerumfragen so gut da wie noch kein deutscher Regierungschef zur Mitte einer Amtszeit. Das hat zweifellos vor allem damit zu tun, dass sie während der deutschen EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr wie beim G8-Gipfel der führenden Industriestaaten im Juni einen guten Eindruck hinterlassen hat. Die Opposition bemängelt allerdings, dass die Regierung in diesem halben Jahr innenpolitisch wenig bewegt habe und auch in den verbleibenden gut zwei Jahren nicht mehr viel von ihr zu erwarten sei.

Großer Brocken

Tatsache freilich ist, dass die Koalition unmittelbar vor der Sommerpause noch einen ganz großen Brocken abgeräumt hat, die Unternehmenssteuerreform. Und ein Blick in den 140-seitigen Koalitionsvertrag vom November 2005 zeigt, dass viele der dort vereinbarten Vorhaben abgearbeitet sind, viele weitere aber auch noch der Erledigung harren. Darunter sind so schwierige und kontroverse Projekte wie die Reform der Pflegeversicherung und die Neuregelung der Erbschaftssteuer sowie eine wahre Herkulesaufgabe: Der zweite Teil der Föderalismusreform, mit dem das Finanzgeflecht zwischen dem Bund und den ihn konstituierenden Ländern sowie zwischen den Ländern untereinander entworren werden soll.

Neue Themen sind seitdem dazugekommen und haben die Tagesordnung der Klausurtagung von Meseberg gefüllt: Die wachsende Armut unter Kindern in Deutschland, der neue Fachkräftemangel in der Industrie, aber auch die Verpflichtungen beim Klimaschutz, die Deutschland in der Europäischen Union und beim G8-Gipfel eingegangen ist.

Unumgänglicher Streit

Die Regierungsparteien werden sich nicht die Blöße geben wollen, im Herbst 2009 vor die Wähler zu treten, ohne zumindest die allermeisten Aufgaben aus dem Koalitionsvertrag erledigt zu haben. Ob das dann immer zur Zufriedenheit der Wähler geschehen ist, steht auf einem anderen Blatt - siehe die umstrittene Gesundheitsreform von 2006. Dass der Wille zur Gemeinsamkeit da ist, hat sich jetzt beim Klimaschutz gezeigt. Dass sich der sozialdemokratische Umweltminister Gabriel und der christlich-soziale Wirtschaftsminister Glos zuvor lange und heftig gestritten hatten, liegt in der Natur der Sache; früher, etwa zwischen dem grünen Umweltminister Trittin und dem sozialdemokratischen Wirtschaftsminister Clement, war das nicht anders.

Für die Koalitionspartner ergibt sich eher die Schwierigkeit, neben der von den Wählern erwarteten Einigung bei den selbstgestellten Aufgaben noch genügend eigenes Profil zu zeigen. Das heißt auch Streitpunkte zu finden. Besonders für die Sozialdemokraten, die zwischen der strahlenden Kanzlerin und der aufstrebenden Linkspartei in der Klemme sind, ist das geradezu eine Existenzfrage. Mit der Einführung eines Mindestlohns in Deutschland haben sie ein solches Thema gefunden, und man kann davon ausgehen, dass weitere hinzukommen, wenn die Wahlen näher rücken.