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Der Oscar und die Politik

Jochen Kürten
Jochen Kürten
5. März 2018

Der Oscar muss immer wieder für politische Statements und gesellschaftlich relevante Reden herhalten. Doch ob die Gala im Dolby Theatre als Ort für Protest und Politik nicht überschätzt wird, fragt sich Jochen Kürten.

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USA Symbolbild Oscar
Bild: picture alliance/dpa/R. Hirschberger

Natürlich ist es nicht falsch, dass die Film-Prominenz im Dolby-Theatre am Hollywood-Boulevard auf die Bühne tritt und auf Missstände aufmerksam macht. Das war in der Vergangenheit schon oft so. Mal ist es die US-Militärpräsenz in entfernten Weltregionen, mal die Politik des jeweils agierenden Präsidenten. Da der Großteil des Hollywood-Establishments eher liberale Ansichten pflegt, gibt es immer dann, wenn ein Republikaner in Washington an der Macht ist, Spitzen gegen den Präsidenten. Bei Donald Trump war das 2017 wieder einmal hörbar.

In den vergangenen Jahren machte sich der Ärger über die Benachteiligung von Afro-Amerikanern im Filmgeschäft Luft. In diesem Jahr war der Missbrauchsskandal um Produzent Harvey Weinstein und die Dominanz der Männer in der Filmwirtschaft das Thema des Abends. Doch wer nun damit gerechnet hatte, dass die Gala zum großen Showdown für Gleichberechtigung werden würde, wurde enttäuscht. Anders als etwa bei der Golden-Globe-Verleihung im Januar fiel schon das Schaulaufen auf dem Roten-Teppich vor Beginn der Veranstaltung eher traditionell aus. Schwarze Roben bei den Damen blieben eindeutig in der Minderheit. Bei den Globes hatten viele Stars auf ihre bunten Kostüme verzichtet und wollten damit ein Zeichen setzen.

Symbole können auch das Gegenteil bewirken

Doch ohne die wohlfeile Meinung der protestierenden Stars zu schmälern - was ist das für ein Zeichen? Die spanische Regisseurin Isabel Coixet hatte vor kurzem bei der Berlinale mit einer bissigen Bemerkung ins Schwarze getroffen. Statt eines farbigen 10.000-Dollar Kleids hätten die Schauspielerinnen ein schwarzes 10.000-Dollar Kleid getragen, sagte Coixet. Das sei doch eine leichte Übung. Die Regisseurin verwies dabei auf den Protest iranischer Frauen, die in ihrer Heimat den Schleier ablegen und damit den Unmut konservativer Kleriker auf sich ziehen würden. Das sei eine wirklich mutige Geste, so die Spanierin.

Ein paar Bemerkungen der Laudatoren und der Ausgezeichneten, ein paar bissige Spitzen des Moderators Jimmy Kimmel, Frances McDormands Rede auf der Oscar-Bühne und jede Menge Anstecker, auf denen die Hollywood-Prominenz ihre Solidarität mit den Opfern von sexueller Belästigung transportierten - mehr war nicht bei dieser Oscar-Gala in Sachen Protest. Doch war das vielleicht gar nicht mal so falsch. Die Bühne im Dolby-Theatre ist sicher nicht der beste Ort für politische und gesellschaftliche Auseinandersetzungen. Trotz aller gut gemeinter Statements und Solidaritätssymbolik - die Oscar-Nacht ist und bleibt ein Promitreff, ein Show-Ereignis.

Allzu viel platte Symbolik schadet dem Anliegen

Wie schnell ein solcher Abend in Peinlichkeiten umschlagen kann, haben die Golden Globes bewiesen - siehe Kleiderwahl. Auch der Vorschlag, bei der zurückliegenden Berlinale statt eines roten einen schwarzen Teppich auszurollen, wurde schnell wieder begraben. Auf Festivals und Preisverleihungen dürfen und sollen politische Statements verkündet werden. Doch allzu viel Symbolik schadet oft der eigentlichen Sache. Vor allem, wenn ein Event so klar im Zeichen vom Klatsch und Tratsch steht, wie die Oscars, wo über die Schmuckauswahl und die Kostüme der Damen meist mehr berichtet wird als über die Filme.

Kuerten Jochen Kommentarbild App
DW-Kultur-Redakteur Jochen Kürten

Dass nach dem Weinstein-Skandal alle Welt über das Thema Gleichberechtigung von Frauen im Filmgeschäft geredet wird, ist gut. Und vielleicht ändert sich ja jetzt auch langsam etwas, bei Filmhochschulen und Filmfördergremien, in TV-Redaktionsstuben und Produzentenbüros. Es ist höchste Zeit.

Das Oscar-Event allerdings sollte man nicht überfrachten. Der amerikanische Filmpreis wird sowieso unfassbar überschätzt. Nur weil alle Welt wochenlang zuvor darüber redet, ist der Preis nicht das Maß aller Dinge. Die allermeisten Filme, auch die 2018 ausgezeichneten, wurden monatelang vorher auf Festivals entdeckt, präsentiert und auch prämiert. "Shape of Water" und "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri" etwa beim Festival in Venedig, "Una mujer fantástica" ("Eine fantastische Frau") vor über einem Jahr bei der Berlinale.

Und auch daran sei erinnert: Der Oscar ist zu ca. 95 Prozent eine Auszeichnung für die englischsprachige Filmwelt. Alle anderen Nationen werden ausgeblendet - sieht man einmal von der Kategorie "Bester nicht-englischsprachiger Film" ab: Fünf Filme bewerben sich in dieser Sektion und stehen somit für das weltweite Kino - das ist absurd.

Der Oscar ist vor allem ein Preis mit kommerzieller Ausrichtung

An all das sollte man immer mal wieder erinnern. Würde man die Oscar-Kriterien etwa bei Preisverleihungen in anderen Künsten anlegen, beispielsweise in der Literatur, würde niemand vom "Besten Roman" oder der "Besten Autorin" sprechen. Die Welt des Kinos allerdings, die vor allem in kommerzieller Hinsicht von Hollywood beherrscht wird, steht im Banne der ausgefeilten Marketingstrategen der großen Hollywood-Studios. Die machen einen guten Job, sorgen Jahr für Jahr für ein Milliardengeschäft. Mit Kultur und Kunst hat das aber meist nicht viel zu tun.

Dass in diesem Jahr (und auch in den vorangegangenen) oft künstlerisch gelungene Filme mit Oscars bedacht wurden, ist eine erfreuliche Entwicklung. Das war freilich nicht immer so. All das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn es um die Berichterstattung über die Oscars geht und um die Einordnung dieses speziellen Filmpreises. Das ist im Übrigen auch eine Aufgabe der Journalisten und der seriösen Presse. Dann lassen sich auch politische Reden und wohlfeile Symbolik auf der Oscar-Bühne besser einordnen.

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