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Politik

Einer der Besten an der Spitze des Parlaments

28. September 2017

Der Zuchtmeister kommt. Finanzminister Wolfgang Schäuble soll Bundestagspräsident werden. Eine gute Wahl und ein deutliches Signal der Merkel-Union für Jamaika, meint Volker Witting.

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Deutschland Bundestagsdebatte zu Griechenland
Bild: Getty Images/AFP/O. Andersen

Er soll's mal wieder richten und dienen: Kanzleramtschef,  Fraktionsvorsitzender, Adlatus von Helmut Kohl, Innen- und Finanzminister war er schon, ist seit 45 Jahren Bundestagsabgeordneter und jetzt bald Bundestagspräsident. Wolfgang Schäuble fügt sich wieder und besetzt demnächst das protokollarisch zweithöchste Amt im Staate. Die Kanzlerin wollte es so.

Aus dem Politikgestalter wird nun ein Politikverwalter. Aber natürlich nicht nur. Wolfgang Schäuble wird es sich nicht nehmen lassen, Impulse zu setzen, das Amt ähnlich auszufüllen wie sein Vorgänger Norbert Lammert: den Parlamentarismus verteidigen, für Ordnung und Disziplin sorgen (auch in den eigenen Reihen), gute Reden halten und selbst Impulse geben.

Der richtige Mann für dieses Amt

Es gibt kaum einen besseren, den man sich an dieser Stelle wünschen könnte, in einem Parlament mit nunmehr sechs Fraktionen. Darunter eine mit Fremdenhassern, Antisemiten und Rechtsradikalen - die AfD. Wer könnte die Parlamentsneulinge besser zähmen, disziplinieren, auf die Regeln des Hohen Hauses verweisen, als eben dieser Wolfgang Schäuble, der Blitzgescheite, der scharfe und unnachgiebige Rhetoriker?

Volker Witting
Volker Witting ist Korrespondent im HauptstadtstudioBild: DW/S. Eichberg

Aber genau hier liegt auch ein Problem: Der Mann ist inzwischen dickköpfig geworden, ein wenig selbstverliebt, ein bisschen altersstarr und somit unberechenbar. In Erinnerung bleibt die Szene, als er öffentlich seinen damaligen Pressesprecher abkanzelte. Im Ausland kennt man ihn als den, der gegenüber Griechenland in der Finanzkrise stets beinhart bleibt. Und ganz grundsätzlich ist er einer, der immer wieder gerne seinen brillanten Intellekt heraushängen lässt. Andererseits kann er wunderbar humorvoll sein und selbstironisch - das kommt aber immer seltener vor. Für die Partei "Die Linke" ist er ein Schreckgespenst. Und auch auf die Stimmen der Grünen kann er bei seiner Wahl Ende Oktober wohl nicht rechnen, ganz zu schweigen von der AfD.

Auch für die eigene Partei, die Union, wird Wolfgang Schäuble der Unberechenbare sein. Er hat nichts mehr zu verlieren und wird auch seine eigene Fraktion auf die Einhaltung von Redelängen hinweisen, der Kanzlerin das Dazwischen-Quatschen verbieten und auf Minderheitenrechte der Opposition hinweisen. Ganz so, wie das sein Vorgänger gemacht hat.

Ein Signal in Richtung Jamaika

Dass die Wahl auf Wolfgang Schäuble fiel, ist aber auch ein deutliches Signal der Union in Richtung Jamaika - noch vor Beginn von Sondierungs- oder Koalitionsgesprächen. Natürlich kam der Personalvorschlag von Kanzlerin Merkel. Schäuble konnte also gar nicht anders, auch wenn er gerne im Amt geblieben wäre. Angela Merkel gibt das Finanzministerium frei - frei als Konzession für die Jamaika-Koalition, die sie will. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass es FDP-Chef Christian Lindner war, der zuerst reagierte und Schäuble über den Klee als "herausragende Persönlichkeit" und "den richtigen Mann zur richtigen Zeit" lobte. Die FDP macht sich nämlich - wohl nicht unberechtigt - Hoffnung auf das Finanzressort, das als das machtvollste Ressort neben dem Kanzleramt gilt. Schäuble dürfte das sogar gefallen, denn die Liberalen würden wohl den harten Sparkurs Schäubles - auch auf EU-Ebene - fortsetzen.

Außerdem: Man darf nun gespannt sein, wer die besseren Reden hält: Deutschlands Nummer eins - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier - oder die Nummer zwei: Wolfgang Schäuble. Konkurrenz soll ja das Geschäft beleben. Schlecht wäre das nicht für die Republik und die Demokratie. Und vielleicht wird Wolfgang Schäuble dann noch ein bisschen altersmilde. Er ist ja gerade erst 75 geworden.

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Volker Witting
Volker Witting Politischer Korrespondent für DW-TV und Online