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Kopf an Kopf rennen

4. Juli 2010

Die Polen haben in einer Stichwahl ihren neuen Präsidenten gewählt. Rund 30 Millionen Wahlberechtigte konnten zwischen Bronislaw Komorowski und Jaroslaw Kaczynski entscheiden. Erste Prognosen sehen Komorowski knapp vorn.

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Der amtierende Parlamentschef Bronislaw Komorowski und der nationalkonservative Herausforderer Jaroslaw Kaczynski (Foto: AP)
Wer wird Polens nächster Präsident? Komorowski (links) oder KaczynskiBild: AP

Bei der Stichwahl am Sonntag (04.07.2010) zeichnete sich einer ersten Prognose zufolge ein Sieg des liberal-konservativen Kandidaten Bronislaw Komorowski ab. Der bisherige Parlamentschef kam auf 53,1 Prozent der Stimmen, wie das polnische Staatsfernsehen TVPInfo berichtete. Die rund 26.000 Wahllokale in Polen schlossen um 20 Uhr. Mit ersten Teilergebnissen wird noch am späten Sonntagabend gerechnet.

Es war schon im ersten Wahlgang am 20. Juni 2010 knapp: Nur etwas mehr als fünf Prozentpunkte lag Jaroslaw Kaczynski im ersten Wahlgang hinter dem Favoriten Komorowski, der auf 41,54 Prozent kam. Da keiner der Präsidentschaftskandidaten die absolute Mehrheit erreichte, mussten die Polen nun in einer Stichwahl erneut über ihr Staatsoberhaupt abstimmen.

Wer macht das Rennen?

Bronislaw Komorowski (Foto: AP)
Bronislaw Komorowski hofft auf den SiegBild: AP

Der liberal-konservative Bronislaw Komorowski galt lange Zeit als klarer Favorit. Doch beim ersten Wahlgang blieb er deutlich hinter den Prognosen zurück. Im Wahlkampfstab der vom polnischen Premierminister Donald Tusk geführten Bürgerplattform (PO), die Komorowski aufgestellt hat, herrschte deshalb Nervosität. Auch die beiden Wahlduelle im Fernsehen verdeutlichten, wie knapp es für beide Kanidaten werden kann.

Der liberalkonservative Komorowski punktete im ersten, Jaroslaw Kaczynski, der Zwillingsbruder des beim Flugzeugabsturz Anfang April tödlich verunglückten Präsidenten Lech Kaczynski, holte im zweiten TV-Duell auf. Dominiert wurden die Fernsehduelle von sozialen Themen wie der Reform des Gesundheits- und Bildungssystems.

Jaroslaw Kaczynski (Foto: AP)
Jaroslaw Kaczynski punktete im zweiten TV-DuellBild: AP

Beide Kandidaten wollen zudem den Abzug der polnischen Truppen aus Afghanistan. Während Kaczynski einen Zeitrahmen von fünf Jahren andeutete, will Komorowski den Abzug bis 2012. In fünf Jahren will Komorowski außerdem den Euro einführen und die Reform von Wirtschaft und Arbeitsmarkt vorantreiben.

Der 61-jährige Kaczynski wirbt dagegen für einen starken Staat und katholische Werte. Einer Reform der Sozialsysteme steht er kritisch gegenüber. Einen festen Zeitplan für die Euro-Einführung lehnt er ab.

Zünglein an der Waage?

Den dritten Platz bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl hatte der junge Star der polnischen Linken, Grzegorz Napieralski, überraschend gewonnen. Er erreichte 14 Prozent der Stimmen - seine Wählerschaft galt deshalb als das Zünglein an der Waage. Napieralski sprach sich jedoch weder für Komorowski noch für Kaczynski aus. Der Postkommunist empfahl seinen Anhängern ganz neutral, einen der beiden zu wählen.

Geteiltes Land

Ein Transporter mit zahlreichen Plakaten von Bronislaw Komorowski im Wahlkampf zu polnischen Präsidentschaftswahl (Foto: AP)
Hier ist mehr wahrscheinlich mehr: Komorowskis WahlkampfBild: AP

Die erste Wahlrunde bestätigte, dass Polen politisch noch ein geteiltes Land ist. Wie bei vorherigen Wahlen siegte der pro-europäisch eingestellte Komorowski im Norden und Westen, während der nationalkonservative Kaczynski im Süden und Osten deutlich vorne lag.

Warschauer Kommentatoren weisen darauf hin, dass dieser ideologische Graben mitten durch Polen nahezu identisch ist mit den Teilungsgrenzen bis zum Ersten Weltkrieg. Das ehemals preußische Gebiet wählt pro-europäisch, die ehemals zum Zarenreich und zu Österreich-Ungarn gehörenden Gebiete wählen eher nationalkonservativ.

Erwartungen aus dem Ausland

Präsident Lech Kaczynski (Foto: AP)
Tragödie für Polen: Präsident Lech Kaczynski starb bei einem FlugzeugabsturzBild: picture-alliance/dpa

Der polnische Präsident hat nicht nur repräsentative Aufgaben, sondern kann zum Teil wesentlichen Einfluss auf die Politik nehmen: Er hat ein Vetorecht gegen Gesetze und Mitspracherechte in der Außen- und Sicherheitspolitik. Davon hatte der verstorbene Präsident Lech Kaczynski mehrfach Gebrauch gemacht und unter anderem eine Renten-, Gesundheits- und Medienreform blockiert.

Viele Experten und Diplomaten hoffen auf den Wahlsieg des pro-europäisch eingestellten Bronislaw Komorowski. Zwar schlägt Jaroslaw Kaczynski jetzt im Wahlkampf versöhnlichere Töne gegenüber Russland und den europäischen Nachbarn an, dennoch erinnern sich viele europäische Politiker nur ungern an die Jahre 2006 und 2007, als Jaroslaw Kaczynski polnischer Ministerpräsident war. Zu dieser Zeit häuften sich die Verstimmungen zwischen Polen, den europäischen Nachbarn und der EU.

Autor: Gero Rueter

Redaktion: Nicole Scherschun / Ursula Kissel