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Milica Djordjević im Portrait

Annabelle Steffes18. Februar 2015

Milica Djordjević ist gerade mal 30 Jahre alt und gilt schon jetzt als eine der interessantesten Komponistinnen ihrer Generation. Doch bis dahin war es ein arbeitsreicher Weg voller Entbehrungen.

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Milica Djordjevic Komponistin. Copyright: Marija Trajkovska
Bild: Marija Trajkovska

Seit 12 Jahren habe sie keinen Urlaub mehr gemacht, erzählt Milica Djordjević im DW-Interview. Zwischen Meisterkursen, Aufträgen und Aufführungen sei einfach keine Zeit gewesen. Doch die Mühen haben sich gelohnt: Die Zusammenarbeit mit renommierten Ensembles wie dem Arditti Quartet oder dem Münchner Kammerorchester ebenso wie zahlreiche Preise und Kompositionsaufträge zeugen von Djordjevićs Erfolg.

Geboren ist sie 1984 im serbischen Belgrad. Schon früh wünschte sie sich, Klavier spielen zu lernen. Ihre Eltern - sie Krankenschwester, er Kameramann - verdienten zwischen 300 und 350 Euro im Monat: zu wenig, um ein eigenes Klavier anzuschaffen. Glücklicherweise wohnte die Familie gegenüber von einer Musikschule. So konnte Milica mit acht Jahren mit dem Klavierunterricht beginnen: "Ich habe viel geübt, war sehr seriös und habe von einer Karriere als Konzertpianistin geträumt", blickt Milica Djordjević zurück. "Aber dann, nach fünf Jahren, habe ich die Malerei für mich entdeckt und sie wurde meine neue Leidenschaft."

Milica Djordjević mit ihrer Familie
Djordjević mit ihrer FamilieBild: privat

Klavierüben beim Bombenalarm

Die musikalische Karriere war also nicht vorgezeichnet. Doch dann begannen 1999, während der Balkan-Kriege, die Bomben auf Serbien hinunter zu prasseln. Die Schulen wurden geschlossen, Milicas Eltern wurden im Krankenhaus und beim Rundfunk gebraucht, die Kinder mussten sich in geschlossen Räumen verstecken. "Ohne Strom konnten wir nicht viel tun, deswegen habe ich tagelang Klavier gespielt", erzählt die junge Serbin. "Und das Klavier war wieder die Sache." Als Teenagerin besuchte Djordjević dann sowohl das Gymnasium als auch eine Musikfachschule und entdeckte die Komposition für sich.

Zunächst studierte sie in Belgrad Komposition, Klangregie und elektronische Musik, wechselte an das Straßburger Konservatorium und setzte ihre Studien dann an IRCAM fort, dem vom berühmten Komponisten und Dirigenten Pierre Boulez gegründeten Forschungs- und Ausbildungszentrum für elektronische Musik in Paris. Zu guter Letzt ist sie Schülerin des schweizerischen Komponisten Hanspeter Kyburz an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin geworden, der vor allem für seine algorhythmische Kompositionstechnik bekannt ist. Die deutsche Hauptstadt wurde ihr eine neue Heimat.

"Kultur ist wirklich notwendig"

Nun investiere sie viel Zeit, Förderungen aufzutun: "Ich bewerbe mich viel, aber es gibt immer weniger Förderungen heutzutage, dabei ist Kultur wirklich notwendig", so Djordjević. "Was etwa die Kulturverwaltung des Berliner Senats für Künstler macht ist sehr, sehr wichtig. Wir brauchen Mäzenatentum. Man könnte ohne Kultur überleben, aber es wäre nicht gut." Einige der Programme, für die sie sich erfolgreich beworben hat, richten sich ausschließlich an Frauen. Für Milica Djordjević hat das nichts mit Frauenquote oder Feminismus zu tun: "Es gibt Förderungen nur für Amerikaner oder Asiaten, warum dann nicht nur für Frauen?"

Milica Djordjević nach der Uraufführung ihrer Komposition "Put belieh kostiju" für Orchester bei den ISCM World New Music Days 2011 in Zagreb. Copyright Kresimir Mihelic
Nach der Uraufführung eines ihrer Werke bei den ISCM World New Music Days 2011 in ZagrebBild: Kresimir Mihelic

Aus soziokulturellen Gründen traten Musikerinnen erst mit dem 20. Jahrhundert aus dem Schatten ihrer männlichen Kollegen. Der Prozess ist jedoch längst nicht abgeschlossen. Ausgesprochene Männerdomänen gibt es in der Klassik immer noch: Sarah Willis ist zum Beispiel bis heute die einzige Hornistin bei den Berliner Philharmonikern. Karen Kamensek gehört zu den wenigen Dirigentinnen in Deutschland. Einige Instrumente, etwa der Kontrabass, gelten als "unweiblich".

"Frauenzimmer im Musikzimmer"

Extremere Verhältnisse erlebte Fanny Hensel, geborene Mendelssohn (1805-1847). Wie ihr berühmter Bruder Felix, erhielt auch sie eine hervorragende Musikausbildung. Doch anders als ihrem Bruder gestattete es der Vater Fanny nicht, aus ihrem Talent einen Beruf zu machen. Der Fünfzehnjährigen schrieb er: "Die Musik wird für ihn vielleicht Beruf, während sie für Dich stets nur Zierde, niemals Grundbass Deines Seins und Tuns werden kann und soll." Auch die hochbegabte Maria Anna (genannt Nannerl) Mozart trat nie aus dem Schatten ihres genialen Bruders Amadeus heraus. Komponistinnen bilden eine kleine Minderheit in der heutigen Musikszene.

Milica Djordjević zählt Genderfragen nicht zu ihren Lieblingsthemen: "Ich bin der Meinung, dass Musik eine universelle Sprache ist. Es gibt keine weibliche oder männliche, sondern nur gute oder schlechte Musik." Djordjevićs Musik ist anspruchsvoll: Ihre vielstimmigen Stücke sind dramatisch, kraftvoll und schwanken zwischen traumhaft leichten Passagen und expressionistischen hin und her. Woran denkt sie, wenn sie komponiert? "A priori denke ich nicht an den Hörer, also könnte man sagen meine Musik ist l'art pour l'art: Sie ist politisch, sozial oder anderweitig nicht engagiert", erklärt Djordjević. "Aber mir ist sehr wichtig, dass meine Musik eine Wirkung hat. Sie muss etwas provozieren, eine Emotion, ein Gefühl, irgendetwas."

Die Komponistin Milica Djordjevic. Copyright - Pedja Vučković
Komponistinnen haben ein neues SelbstbewusstseinBild: DW/N. Parausic

An diesem Donnerstag (19.02.2015) werden Kompositionen von Milica Djordjević in der Allerheiligen-Hofkirche in München im Rahmen der musica viva-Konzertreihe des Bayerischen Rundfunks uraufgeführt. Am 26. Juli diesen Jahres erhält sie den mit 20.000 Euro dotierten Belmont-Preis der Forberg-Schneider-Stiftung. Die Preisverleihung findet im Rahmen der 70. Sommerlichen Musiktage Hitzacker statt, wo auch Werke der Komponistin zu hören sein werden.