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Politik

"Kirchen machen der Regierung Angst"

Dirke Köpp
16. März 2018

Die politische Lage im Kongo ist angespannt, die Bevölkerung frustriert. Von Regierung und Opposition könne sie derzeit nicht viel erwarten, sagt Gesine Ames vom Ökumenischen Netz Zentralafrika im DW-Interview.

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Unruhen im Kongo
Bild: Getty Images/AFP/J. Wessels

Joseph Kabilas Präsidentschaft endete bereits 2016, die Wahlen wurden immer wieder verschoben und sind nun für Dezember 2018 geplant. Mehrere Proteste gegen die Regierung endeten mit Toten und Verletzten, nachdem die Polizei eingegriffen hatte. Auch im Osten des Landes kommt es häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen, Rebellen und Regierungstruppen.

Deutsche Welle: Sie waren im Februar in der Hauptstadt Kinshasa und in den Ostprovinzen der Demokratischen Republik Kongo unterwegs. Wie haben Sie die Stimmung dort empfunden?

Gesine Ames: Generell ist die Stimmung in beiden Regionen sehr pessimistisch. Die Leute sind frustriert. Sie haben kaum mehr eine Basis, auf der sie politisch und sozial agieren können. Es ist wirklich ein täglicher Kampf ums Überleben. Allerdings habe ich Kinshasa als politisch aktiver wahrgenommen, auch als angeheizter, als die Ostprovinzen.

Die Berichte der UN-Mission im Kongo, die im UN-Sicherheitsrat vorgestellt werden, lesen sich ja wie eine Liste von Schauergeschichten. Immer wieder gibt es Angriffe verschiedener Milizen, mehr als 4,5 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes vertrieben worden. Destabilisiert die Regierung die Situation absichtlich, oder hat sie das Land nicht im Griff?

Politische Strukturen sind im Ostkongo nur sehr rudimentär vorhanden. Einerseits kommt also der Staat seiner Fürsorgepflicht nicht nach. Andererseits gibt es aufgrund wirtschaftlicher Verflechtungen eine starke Bindung zwischen dem Osten und Kinshasa. Sicherlich ist die Regierung an einer Destabilisierung der Region nicht ganz unschuldig.

Demokratische Republik Kongo Kämpfe zwischen Volksgruppen
Millionen Kongolesen sind innerhalb des Landes auf der Flucht vor Gewalt und KonfliktenBild: Getty Images/AFP/J. Wessels

Das Sicherheitsvakuum existiert schon seit vielen Jahren und ist der Regierung bekannt. Wir haben jedoch wenig Bereitschaft seitens der staatlichen Armee und der Sicherheitsbehörden bemerkt, dieses Problem anzugehen. Nach wie vor gibt es fast keine Bezahlung für staatliche Sicherheitsakteure, um ihre Familien wird sich nicht gekümmert, es gibt zu wenige Militärcamps und keine Ausbildungsmöglichkeiten. Die Regierung ist dafür verantwortlich und wird ihrer Verantwortung nicht gerecht.

Ist das seitens der Regierung gewollt oder nur nicht besser gekonnt?

Der politische Wille ist nicht vorhanden. Das sieht man ganz klar. Aber das Sicherheitsvakuum, das kreiert wurde, gerät auch zunehmend außer Kontrolle.

Vergangene Woche hat der Oppositionspolitiker Moise Katumbi aus dem Exil die Gründung einer neuen Partei verkündet - und die Absicht, bei den Präsidentschaftswahlen anzutreten. Müsste die Opposition sich auf einen Kandidaten einigen?

Ein generelles Problem im Kongo ist das Parteienspektrum, das kaum durchschaubar ist. Es gibt ja mehr als 600 Parteien. Das Problem gab es schon 2011, und die Wahlkommission hat in den vergangenen Jahren nichts unternommen, um Ordnung in diesen Dschungel zu bringen. Natürlich haben wir größere und kleinere Parteien. Aber ich sehe es schon als Schwächung des Parteienspektrums, des demokratischen Raumes und der Opposition, wenn Eigeninteressen mit der Gründung einer Partei verbunden werden.

Ökumenisches Netz Zentralafrika - Gesine Ames
Kongo-Expertin Gesine AmesBild: OENZ.de

Es gibt zwei große Parteienbündnisse, aber auch dort sehen wir enorme Interessenskonflikte und eine starke Klientelismus-Politik. Es ist ernüchternd, zu sehen, dass diese Bündnisse keinen starken Kandidaten aufbauen, der die Möglichkeiten hätte, die Wahl zu gewinnen. Auch Katumbis Chancen, sich aufstellen zu lassen, gehen meines Erachtens gegen null, denn ich glaube nicht, dass er wegen der strafrechtlichen Vorwürfe gegen ihn dieses Jahr in den Kongo einreisen wird. (Wegen Rechtsstreitigkeiten, die seine Unterstützer als politisch motiviert betrachten, droht ihm bei Rückkehr eine Haftstrafe, Anm.d.Red.) Auch Felix Tshisekedi wird vor allem als Sohn seines Vaters wahrgenommen, aber nicht als kompetenter Politiker.

 

In letzter Zeit hat sich auch die katholische Kirche immer mehr eingebracht und mit Kabila gebrochen. Nun gibt es Einschüchterungsversuche gegen Bischöfe, die sich öffentlich geäußert haben und Mitglieder des Laizistischen Komitees, die teilweise im Untergrund leben. Wie geht das weiter?

Die katholische Kirche, die Laienverbände und wichtigen Gremien werden auf ihrem Kurs bleiben. Trotz der blutigen Niederschlagung der Proteste im Januar, zu denen die katholische Laienbewegung aufgerufen hatte, gab es im Februar Folgeproteste. Das werden nicht die letzten gewesen sein. Auch für sie wird es immer schwieriger, zu agieren, weil die Hauptinitiatoren enorm bedroht wurden und zum Teil untertauchen mussten. Aber die katholische Kirche hat einen starken Rückhalt, hat sehr viele Mitglieder, ist die größte Kirche im Lande.

Auch auf Seiten der protestantischen Kirche gibt es einen neuen Präsidenten, der unterstützende Worte für die Aktionen der Katholiken findet. Die Ökumene ist ein ganz schwieriges Thema im Kongo. Aber die Kirchen könnten - auch mit muslimischen Gemeinden - gemeinsam als gestärkte Kraft gegen die Regierung auftreten. Und das macht der Regierung Angst, und ihre Rhetorik gegenüber der katholischen Kirche wird immer schärfer. Die Kirchen haben die Legitimation der Bevölkerung, aber alleine werden sie es nicht schaffen können.

Gesine Ames ist seit 2013 Koordinatorin des Ökumenischen Netzes Zentralafrika. Der Zusammenschluss kirchlicher Werke ist mit Kirchen und zivilgesellschaftlichen Organisationen in der Region der Großen Seen (Demokratische Republik Kongo, Ruanda, Burundi) verbunden.

Das Gespräch führte Dirke Köpp.