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PolitikAfrika

Tödliche Gewalt im Kongo

Mariel Müller
6. April 2022

Schwere Vorwürfe gegen den Kahuzi-Biega-Nationalpark: Parkwächter sollen Indigene vergewaltigt und getötet haben. Eine NGO hat zahlreiche Misshandlungen dokumentiert. Der Park wird von der Bundesregierung mitfinanziert.

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Demokratische Republik Kongo, Angriffe auf die Batwa-Bevölkerung
Bild: Mariel Müller/DW

Friedlich liegen die grünen Hügel des Kahuzi-Biega-Nationalparks im Osten der Demokratischen Republik Kongo da. Der Park ist seit 1980 UNESCO-Weltnaturerbe, hier leben die letzten Östlichen Flachlandgorillas der Welt. Ein wichtiger Geber ist die Bundesregierung. 

Der Park ist auch Heimat der indigenen Batwa-Bevölkerung, einer benachteiligten und verarmten Minderheit. 1976, sechs Jahre nach der Gründung des Nationalparks, wurden 6000 von ihnen vertrieben. Seitdem kam es immer wieder zu Konflikten. Seit 2019 aber, so haben es Nichtregierungsorganisationen (NGO) dokumentiert, sollen gezielte Angriffe auf die Batwa stattfinden. Häuser sollen bis auf den Grund niedergebrannt worden sein, die Organisationen berichten auch von Gruppenvergewaltigungen und Tötungen - sogar von Kindern. Die mutmaßlichen Täter sollen laut Zeugen Parkwächter und kongolesische Soldaten sein. 

Zwei Kinder bei lebendigem Leibe verbrannt

Kibibi Kaloba wohnt mit ihren Kindern im Rohbau eines unfertigen Krankenhauses, wenige Kilometer außerhalb der Grenzen des Parks. Sie ist eine von rund 200 Batwa, die seit Monaten in dem improvisiertem Camp hausen. Im November 2021 änderte sich ihr Leben völlig. Die 30-Jährige arbeitete auf ihrem Feld, als sie von einem Angriff auf ihr Dorf Bugamande hörte. Aus Sorge um ihre fünf Kinder rannte sie nach Hause so schnell sie konnte. "Mein Haus war bereits niedergebrannt, es stieg nur noch Rauch auf", erzählt sie. Mit einem Stock durchsuchte sie die verkohlten Überreste. "Ich nahm einen Stock und suchte in der Asche und dann sah ich darin den Schädel eines meiner Kinder."

Kibibi Kaloba, deren zwei Kinder bei einem Angriff ums Leben kamen, legt den Kopf in die Hand und schaut traurig ins Leere
Kibibi Kaloba: zwei ihrer Kinder starben bei einem AngriffBild: Mariel Müller/DW

Zwei ihrer Kinder - vier und fünf Jahre alt - waren in dem Haus verbrannt. Die Angreifer hatten die Tür mit einem Seil zugebunden. Kibibi Kaloba nahm ihre anderen drei Kinder und floh. 

Für Häuptling Mbuwa Kalimba Bachirembera ist klar: die Parkverwaltung will das Volk der Batwa aus dem Park vertreiben - obwohl es ihr angestammtes Land einschließt, wie er erläutert. "Sie wurden von der ICCN (kongolesische Naturschutzbehörde, Anm. d. Redaktion) geschickt. Seit 2019 kamen sie jedes Jahr, um uns anzugreifen. Wenn sie Menschen töteten, schnitten sie ihnen die Arme ab, zeigten sie den anderen und sagten ihnen, sie sollten die Felder verlassen, sonst würden sie alle ausgerottet."

Nun haben die Batwa Zuflucht in der Baustelle des Krankenhauses gefunden. Doch die Zustände hier sind schlimm: Es gibt kaum Essen, kein sauberes Trinkwasser und keine medizinische Hilfe. Und vor einigen Tagen soll es einen gewalttätigen Angriff einer bewaffneten Gruppe gegeben haben, berichtet der Häuptling. Zum Glück gab es nur leichte Verletzungen.

Häuptling Mbuwa sitzt auf dem Boden, umringt von Dorfbewohnern und vielen Kindern
Häuptling Mbuwa: "Sie sagten wenn wir nicht gehen, werden wir ausgerottet"Bild: Mariel Müller/DW

Die NGO Minority Rights Group (MRG) hat die gewalttätigen Vorfälle in den vergangenen drei Jahren untersucht. In einem fast 100-seitigen Bericht kommt sie zu dem Schluss, dass Parkwächter und Soldaten der kongolesischen Armee mindestens 20 Batwa getötet, mindestens 15 Frauen vergewaltigt und Hunderte gewaltsam vertrieben haben, nachdem ihre Dörfer niedergebrannt wurden. "Wir werden Zeugen einer Politik der staatlichen Gewalt, die darauf abzielt, eine bereits stark marginalisierte indigene Gemeinschaft zu terrorisieren, damit sie einen Park verlässt, der auf ihrem angestammten Heimatland angelegt wurde", sagt Agnes Kabajuni, Afrika-Regionalmanagerin von MRG.

Dies berichtet auch Namondokolo, die ihren wahren Namen nicht nennen will. Drei Parkwächter seien zu ihrem Haus gekommen und hätten sie entführt. "Sie nahmen mich mit, sie fesselten meine Füße und Hände und verbanden mir die Augen mit einem Stück meiner Kleidung. Dann vergewaltigten sie mich und sagten: Warum hast du das Feld nicht verlassen, als wir es dir gesagt haben?"

Die Bevölkerung terrorisieren

Zwei Parkwächter in Bukavu, der Provinzhauptstadt Südkivus, bestätigen die Berichte der Dorfbewohner. Sie erzählen, dass ein Kollege tot aufgefunden worden sei, der zuvor das Parkmanagement kritisiert hatte. Deshalb wollen sie anonym bleiben.  

In dem Rohbau eines Hauses ohne Türen und Fenstersitzen Frauen mit Kindern um eine Feuerstelle
Batwa-Flüchtlinge hausen in der Ruine einer BaustelleBild: Mariel Müller/DW

"Ich war dort, als sie ihre Dörfer dreimal aufgebaut haben, und wir haben sie jedes Mal wieder zerstört", berichtet einer der beiden. Wir nennen ihn Emanuel. Meist führen sie die Anschläge gemeinsam mit Soldaten der kongolesischen Armee durch, erzählt er. Aber ihre Befehle sollen direkt von Parkdirektor De-Dieu Bya'Ombe gekommen sein.

Emanuels Kollege Pascal erinnert sich: "Der Befehl kam von unserem Anführer, De-Dieu Bya'Ombe. Wir waren 75 Leute und unsere Mission war es, diese Häuser niederzubrennen." Das Ziel sei es, die Bevölkerung zu terrorisieren, damit sie nicht zurückkehrt.

Wenn sie angreifen, verwendeten sie Maschinengewehre vom Typ AK-47, Panzerfäuste und Mörser, sagt er. Sogenannte Auffrischungstrainings im Umgang mit den Waffen hätten sie von weißen Trainern erhalten. Beide Parkwächter bestreiten im Gespräch mit DW, Vergewaltigungen begangen oder bezeugt zu haben.

Eine Frau mit einer Decke um die Schultern zeigt sich nur von hinten, um sie herum sind weitere Frauen, Kinder und Männer zu sehen
Namondokolo will nicht erkannt werdenBild: Mariel Müller/DW

Parkdirektor De-Dieu Bya'ombe Balongelwa streitet sämtliche Vorwürfe ab. In einer schriftlichen Antwort an die DW teilt er mit, dass es nie gezielte Gewalt im Park gegeben habe. Auch habe er nie solche Angriffe angeordnet. Darüber hinaus sieht er sich als Opfer einer Verschwörung gegen ihn, die es zum Ziel habe, ihn als Parkdirektor loszuwerden.

Schwere Vorwürfe gegen den Nationalpark

Schwere Vorwürfe gegen einen Park, dessen wichtigster Geldgeber die deutsche Bundesregierung ist. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanziert nach eigenen Angaben im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) Projekte in sechs Naturschutzgebieten im Kongo. Eins davon ist im Kahuzi-Biega-Nationalpark. Seit 2008 seien insgesamt 66 Millionen Euro geflossen, schreibt die KfW an die DW.

Laut der NGO Minority Rights Group wurden die Geldgeber schon 2019 über die Gewaltattacken gegen die Batwa informiert.

Die schemenhafte, nicht zu identifizierende Figur des Parkwächters mit einer Schirmmütze auf dem Kopf, im Hintergrund ist eine Stadt zu sehen.
Parkwächter Emanuel: "Wir haben die Häuser im Dorf niedergebrannt"Bild: Mariel Müller/DW

"Diese internationalen Unterstützer des Parks wurden wiederholt darüber informiert, dass ihre finanzielle und materielle Unterstützung zu massiven Misshandlungen gegen die Zivilbevölkerung führte", sagt Robert Flummerfelt, Autor des Berichts der Minority Rights Group. "Die während dieser Untersuchung aufgedeckten Beweise weisen eindeutig darauf hin, dass sie an Missbräuchen mitschuldig waren, die wahrscheinlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen", fügt er hinzu.

Die Geldgeber hätten auch das paramilitärische Training der Parkwächter finanziert. Aus Sicht Flummerfelts verstößt das gegen das UN-Waffenembargo gegen die Demokratische Republik Kongo, da der UN-Sicherheitsrat vorher nicht darüber in Kenntnis gesetzt worden sei.

Vom deutschen BMZ, der GIZ und Kongos Naturschutzbehörde ICCN, die für den Kahuzi-Biega Nationalpark verantwortlich ist, lagen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung keine Antworten auf die Anfragen der Deutschen Welle vor.

Im dichten Gebüsch ragen die halb verbrannten Reste eines Hauses aus Baumstämmen auf
Die Reste der Schule im zerstörten Dorf BugamandeBild: Mariel Müller/DW

In einer schriftlichen Antwort der KfW heißt es, dass sie über die Angriffe auf die Batwa in Kenntnis gesetzt wurde und daraufhin die Naturschutzbehörde um eine Untersuchung gebeten habe. "Die KfW verurteilt die beschriebenen Taten aufs Schärfste, sofern diese begründet sind. Die KfW lehnt jede Form von Gewalt als absolut inakzeptabel ab." Weder Waffen noch Munition würden finanziert. Zweck der von der KfW finanzierten Ausbildungsförderung sei "ausschließlich die Ausbildung zum nichtmilitärischen Zweck des Schutzes des Nationalparks als öffentliches Gut". Die KfW teile die Überzeugung der Bundesregierung, dass Naturschutz einen menschenrechtsbasierten Ansatz verfolgen müsse.

2019/2020 hatten mehrere Berichte der Tageszeitung "taz" über Fehlverhalten des Parks dazu geführt, dass das deutsche Entwicklungsministerium die finanzielle Unterstützung der Naturschutzbehörde eingestellt hatte. Im Mai 2020 wurden die Zahlungen aber wieder aufgenommen.

Rückkehr trotz Angst

Unterdessen haben die  Batwa aus Bugamande beschlossen, in ihr Dorf zurückzukehren. Die Angst sei zwar groß, dass sie wieder vertrieben würden. Aber die Dorfbewohner hoffen, dass die Berichterstattung über ihr Schicksal in internationalen Medien ihnen Schutz verschafft. Namondokolo jedenfalls ist entschlossen, in ihre Heimat zurückzukehren - trotz der Gewalt, die sie erlitten hat: "Wir werden hier bleiben, ob sie schießen oder nicht. Wir haben akzeptiert, auf diesem Land zu sterben."

Update, 06.04.2022: In einer Pressemitteilung nach Veröffentlichung dieses Artikels teilte die Bundesregierung mit, dass sie die Berichte über Menschenrechtsverletzungen im Kahuzi-Biega Nationalpark verurteilt und von der kongolesischen Regierung eine schnelle Aufklärung verlangt. Der Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), Jochen Flasbarth erklärte in einer schriftlich verbreiteten Mitteilung: "Ich erwarte, dass die Aufklärung vor Ort mit Nachdruck vorangetrieben wird und alle Partner sich glaubwürdig für den Schutz der Menschen­rechte einsetzen." Davon werde abhängen, ob die Förderung fortgesetzt werden könne. Flasbarth weiter: "Naturschutz kann nur dann nachhaltig gelingen, wenn die lokale, insbesondere die indigene Bevölkerung einbezogen wird und ihre Menschenrechte umfassend geachtet werden."

Mariel Müller, DW Ostafrika-Büroleiterin
Mariel Müller Chefin des DW- Büros Ostafrika@_MarielMueller