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Ministerin: "Kein Ausverkauf des Regenwalds"

Dirke Köpp
28. November 2021

Regenwald gilt als wichtiger Baustein im Kampf gegen den Klimawandel. Doch Afrikas grüne Lunge ist von Abholzung bedroht. Damit soll Schluss sein, sagt die Umweltministerin der DR Kongo, Eve Bazaiba, im DW-Interview.

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Eve Bazaiba
Umweltministerin Bazaiba: " Ich weiß, was der Wald bedeutet"Bild: Dirke Köpp/DW

DW: Frau Ministerin, gerade erst sind Sie aus Glasgow zurückgekehrt. Viele Umweltaktivisten sind unzufrieden mit den Ergebnissen der COP26. Was ist Ihre Einschätzung?

Eve Bazaiba: Ich denke, was die Demokratische Republik Kongo angeht, können wir nicht von Enttäuschung reden. In jedem Vorgang gibt es schließlich Erreichtes, und es gibt Schwächen, an denen man arbeiten muss. Was mein Land angeht, liegen die Errungenschaften auf der Hand. Der Kongo ist unbestritten ein Land, das Teil der Lösung der Klimakrise ist.

Wir konnten unserer Stimme Gehör verschaffen. Es ist ganz klar, dass wir als Länder des Kongobeckens keine CO2-Emittenten sind: Wir gehören nicht zu den klimaschädigenden Ländern, hier muss das Verursacherprinzip gelten. Jeder weiß, dass auf der einen Seite Länder stehen, die die Atmosphäre verschmutzten, und dass auf der anderen Seite unsere Wälder diese Verschmutzung binden.

Aber wir müssen Zugang zu den Fonds zur Abschwächung zum CO2-Ausgleich bekommen, damit wir die Erderwärmung begrenzen können. Das ist gelungen.

Was fordern Sie zur Rettung der Wälder?

Wir haben national festgelegte Beiträge auf Grundlage des Pariser Abkommens. Unsere Prioritäten bei der CO2-Reduktion liegen im Energiesektor, in der Landwirtschaft, im Bergbau - denn all diese Bereiche tragen zum Treibhauseffekt bei. Wenn wir die Finanzierung durch die Industriestaaten einfordern, geht es nicht um Entwicklungshilfe. Vielmehr sollten sie es als ihren Beitrag zum Kampf gegen die Erderwärmung verstehen. Denn das ist eine Folge der Industrialisierung. Wir werden die Industriestaaten nicht verurteilen, denn auch wir haben davon profitiert. Aber sie müssen wissen, dass sie verantwortlich sind und dass sie die Mittel haben, damit wir unser Potenzial zur Abschwächung der Erderwärmung bewahren: den Wald.

Die beste Strategie zum Schutz des Waldes in der Demokratischen Republik Kongo ist, mehr Haushalte und Unternehmen bei uns ans Stromnetz anzubinden. Dabei geht es nicht nur um das Holz, das Haushalte zum Heizen und Kochen brauchen. Wenn wir unsere Bodenschätze vor Ort weiterverarbeiten, um zum Beispiel Akkus für E-Autos herzustellen, braucht das Energie.

In der Landwirtschaft muss es eine Alternative zur Brandrodung geben! Dafür brauchen wir Mittel aus dem UN-Anpassungsfonds, damit wir unser Brachland mit Landwirtschaftsgeräten und besserem Saatgut bebauen können.

Was die Wälder betrifft: Ist es nicht wichtig, dass hier ein Umdenken stattfindet? Derzeit ist ein gefällter Baum finanziell immer noch mehr wert als ein lebender. Was ist mit den Unternehmen, die Konzessionen erhalten haben und Milliarden mit dem Wald verdienen?

Die Regierung hat zehn Maßnahmen zur vernünftigen Bewirtschaftung des Waldes ergriffen. Ganz wesentlich ist dabei die Überprüfung aller Konzessionsverträge - sei es zum Erhalt oder zur wirtschaftlichen Nutzung. Außerdem haben wir bis auf weiteres jeglichen Holzexport untersagt. Und wir haben Maßnahmen ergriffen, um illegal geschlossene Verträge aufzulösen. Zum Beispiel gibt es eine Debatte um die Konzessionen, die an das belgische Unternehmen Tradelink vergeben wurden. Die Verträge mit dieser Firma haben wir aufgelöst. Diese Angelegenheit ist abgeschlossen.

Ist das also ihre Antwort an die Umweltschutzorganisation Greenpeace, die Ihnen vorwirft, Konzessionen an Tradelink vergeben zu haben: Das war's, die Angelegenheit ist abgeschlossen?

Ich rede nicht gerne von dieser Organisation. Ich rede von der Bevölkerung, weil diese Wälder dem Kongo gehören. Was die Vorwürfe von Greenpeace betrifft: Es schickt sich nicht, vom Schreibtisch aus, ohne Ortskenntnis Dinge zu kritisieren. Ich habe nicht ein Wort von Greenpeace dazu gehört, dass die DR Kongo heute weltweit als Teil der Lösung im Kampf gegen die Erderwärmung anerkannt wird und dass wir uns zur Bewahrung unserer Wälder bekannt haben.

Kommen wir zum Moratorium, das besagt, dass keine neuen Waldgebiete gerodet werden dürfen. Bitte erklären Sie uns doch einmal die aktuelle Diskussion: Zuerst wurde eine Aufhebung dieses Moratoriums unterzeichnet, dann hat man diese rückgängig gemacht.

Die Aufhebung ist nicht rückgängig gemacht worden. Das Moratorium ist eine vorläufige Schutzmaßnahme, es stammt von 2002 - gilt also bald 20 Jahre. Eine Regierung kann nicht mit vorläufig endgültigen Maßnahmen arbeiten. Zweitens: 2002 war die DR Kongo Land nicht geeint, die Regierung hatte keinen Zugriff auf Teile des Landes. Damals war ich an Verhandlungen beteiligt, und wir haben die damalige Regierung um ein Moratorium gebeten: Solange wir keinen juristischen Rahmen für ein Vergabeverfahren haben, sollten keine Konzessionen an wen auch immer vergeben werden. Und so kam es. Heute wissen wir, dass seitdem weiter Konzessionen vergeben wurden. Auch die Firma Tradelink hat in jener Zeit ihre Konzessionen erhalten für eine Fläche halb so groß wie Belgien. Da kann man sich schon fragen, wie das möglich war. Und sie sind nicht die Einzigen. Wenn die Regierung jetzt entschieden hat, das Moratorium aufzuheben, dann nicht, um die Wälder zu verscherbeln, sondern um mehr Rechtsverbindlichkeit zu schaffen, Regelungen, die unsere Wälder besser schützen als Provisorien.

Es gibt Menschen, die - legal oder illegal - Schutzgebiete erworben haben. Sie reden von Naturschutz, aber in Wirklichkeit geht es um die Ausbeutung von Bodenschätzen und Holz. Wir sind dabei, Ordnung in diesen Wirtschaftszweig zu bringen. Es liegt nicht in meiner Natur, Waldstücke zu verscherbeln. Ich bin in einem Dorf im Wald geboren. Ich weiß, was der Wald bedeutet. Und ich werde einen Ausverkauf nicht zulassen. Mir geht es darum, die Lebensgrundlagen meines Landes zu erhalten.

Eve Bazaiba ist Umweltministerin und Vize-Premierministerin der Demokratischen Republik Kongo. Ihr Einstieg in die Politik war in den 1980er-Jahren unter der Mobutu-Diktatur, als sie Seite an Seite mit Etienne Tshisekedi für Demokratie kämpfte, was sie mehrmals ins Gefängnis brachte. 2002 nahm sie an den Verhandlungen in Sun City teil, die den Übergang vom Bürgerkrieg in die heutige Demokratische Republik Kongo ebnete. 2006, vor den ersten freien Wahlen, erfolgte der Bruch mit Tshisekedis Partei (UDPS). Danach schloss sie sich der Partei von Ex-Rebellenführer Jean Pierre Bemba an. 

Das Interview führte Dirke Köpp.

03.12.21: Ergänzt um weitere biografische Details.