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Transparency fordert Konsequenzen

21. Februar 2012

Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International verlangt von der Politik strengere Regeln bei Spenden und Sponsoring. Sollten die kommen, bekämen die meisten Parteien wohl finanzielle Probleme.

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Ex-Bundespräsident Christian Wulff mit verkniffenem Gesichtsausdruck. (Foto: picture alliance / dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Edda Müller kann eine richtige Spielverderberin sein. Zwar hat die Vorsitzende von Transparency International (TI) nichts dagegen, dass sich ein reiches Land wie Deutschland gelegentlich auch Veranstaltungen wie das Sommerfest des Bundespräsidenten leistet. Das soll dann aber bitte aus Steuergeldern bezahlt werden und nicht von der Wirtschaft. Der Koalition gegen Korruption, wie sich TI selbst nennt, kommt es also vor allem darauf an, wer am Ende die Rechnung bezahlt.

Müllers Vorstandskollege Jochen Bäumel wird noch deutlicher. Die Politik solle nicht als "Bittsteller" gegenüber der Wirtschaft auftreten und sich damit in eine "Schwächeposition" begeben, sondern selbstbewusst auftreten. Allzu viel hält Bäumel ohnehin nicht von halbstaatlichen Festen. Auf den meisten Veranstaltungen dieser Spielart von public private partnership finde man ohnehin selten Normalbürger, dafür um so mehr Journalisten und Ministerialbeamte, meint der Korruptionsexperte.

Spenden sollen ab 2000 Euro veröffentlicht werden

Eine Person trägt in das Einkommensteuerformular des Finanzamtes eine Parteispende ein. (Foto: dpa)
Bild: dpa

Neu ist dieser Befund keinesfalls, beklagt Transparency. Aber unter dem Eindruck der vermeintlichen Begünstigungen und Vorteilsnahmen des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff ist es aus Sicht der Nichtregierungsorganisation dringender denn je geboten, neue Regeln und Gesetze zu beschließen. "Integritätsoffensive" nennt TI den Vorstoß und fordert einen ganzen Strauß von Maßnahmen. So sollen Parteispenden schon ab 2000 Euro veröffentlicht werden und nicht erst ab einer Höhe von 10.000 Euro.

Spenden an Abgeordnete müssten grundsätzlich verboten und Nebentätigkeiten vollständig offengelegt werden, verlangt Transparency. Auf Bundesebene müssen nach der geltenden Gesetzeslage Zuwendungen ab 5000 Euro beim Parlamentspräsidenten angezeigt und ab 10.000 Euro veröffentlicht werden. Nebeneinkünfte sind entsprechend den Verhaltensregeln des Bundestages ab einer Höhe von 1000 Euro zu veröffentlichen. Wobei Anwälte, und davon gibt es viele im Deutschen Bundestag, die Namen ihrer Mandanten auch dann nicht nennen müssen, wenn sie "rein lobbyistisch beraten werden", empört sich Transparency.

"Man muss keine Gefälligkeiten annehmen"

Das weite Feld des Lobbyismus bereitet der Anti-Korruptionsorganisation sowieso die größten Sorgen. Zwar gibt es seit 1972 eine offen einsehbare Liste mit den Namen der beim Bundestag registrierten Verbände und ihrer Vertreter. Allerdings vermisst TI einen verbindlichen Verhaltenskodex und klare Regelungen über die Arbeit der Lobbyisten, insbesondere ihren Einfluss in der Gesetzgebung. Um mehr Transparenz zu ermöglichen und Interessenkonflikte zu vermeiden, müsse bei jedem Gesetz dokumentiert werden, wer in welcher Form daran beteiligt war, fordert Transparency-Chefin Müller.

Nötig seien außerdem strengere Verhaltensregeln, wenn es um Einladungen, Geschenke und Reisen geht. Für Reisen gebe es eine Reiseordnung, Abgeordnete könnten kostenlos mit der Bahn fahren. "Man muss keine Gefälligkeiten annehmen", sagt TI-Vorstand Bäumel unter Hinweis auf die ohnehin bestehenden Vergünstigungen. Dass Politiker sich zum Essen einladen lassen, findet er hingegen in Ordnung. "Da darf man auch ruhig großzügig sein", betont Bäumel.

Die Vorsitzende von Transparency International Deutschland, Edda Müller, und das Vorstandsmitglied Jochen Bäumel sitzen am Dienstag (21.02.12) in Berlin bei einer Pressekonferenz vor einem Transparent mit dem namen und Logo ihrer Organisation. Vor ihnen stehen mehrere Mikrofone. (Foto: Michael Gottschalk / dapd)
Jochen Bäumel (l.) und Edda Müller bohren nach eigenen Angaben "dicke Bretter".Bild: dapd

Parteien-Sponsoring wird pauschal verbucht

Problematischer noch als Spenden findet TI das weitverbreitete Sponsoring. Die Bundesregierung geht mit diesem Thema vergleichsweise offen um. Alle zwei Jahre veröffentlicht sie einen Bericht, in dem Geber und Nehmer von Spenden oder anderen geldwerten Vorteilen aufgelistet sind. Im aktuellen Bericht des Innenministeriums wird für die Jahre 2009 und 2010 eine Summe von gut 93 Millionen Euro errechnet. Fast zwei Drittel davon gingen ans Gesundheitsministerium. Im Gegensatz zur Bundesverwaltung sind Parteien beim Sponsoring weniger transparent. Die Zuwendungen aus diesem Bereich müssten wie bei Spenden veröffentlicht werden, verlangt TI.

Seit Jahren rede man gegen Wände, klagt Vorstandsmitglied Bäumel, weil die Parteien Einnahmen aus Sponsoring in ihren Rechenschaftsberichten pauschal verbuchen können. Die Rubrik dafür heißt "Einnahmen aus Veranstaltungen, Vertrieb von Druckschriften und Veröffentlichungen sonstiger mit Einnahmen verbundener Tätigkeit". Hinter diesem Sammelposten stecken unter anderem Sponsoringleistungen auf Parteitagen.

"Das kommt dem Anfüttern nahe"

In der Praxis sieht das dann aus wie auf einer Messe. Unternehmen aus der Energie-, Pharma- oder Versicherungsbranche präsentieren sich den Delegierten und sonstigen Besuchern mit mehr oder weniger aufwändigen Ständen. Wie viel sie der Partei dafür zahlen, erfährt die Öffentlichkeit nicht. "Das kommt dem Anfüttern schon sehr nahe", empört sich Transparency-Experte Bäumel. Unter "Anfüttern" verstehen Korruptionsexperten die gängige Praxis, durch finanzielle und materielle Leistungen Kontakte anzubahnen, von denen die Geber sich Vorteile versprechen.

Symbolbild Korruption: Euro- Geldscheine im Briefumschlag
Sponsorenleistungen auf Parteitagen können pauschal verbucht werden.Bild: BilderBox

Kurzfristige Fortschritte in ihrem Kampf für mehr Transparenz bei Parteien und in der Politik erwartet Transparency International keine. Ihre Arbeit sei das berühmt-berüchtigte "Bohren dicker Bretter", sagt TI-Chefin Müller. Entmutigen aber lasse sie sich nicht. Unterstützung erhofft sie sich vom designierten Bundespräsidenten Joachim Gauck. Ihm traut sie kraft seiner Ausstrahlung zu, "verloren gegangenes Vertrauen in Politik und Politiker zurückzugewinnen". Wobei Müller einschränkt, es wäre "weder fair noch angemessen, alle Integritätshoffnungen allein auf ihn zu projizieren".

Einladung des Bundespräsidenten ausgeschlagen

Natürlich weiß sie, dass möglichen präsidialen Worten zu mehr Transparenz auch Taten der Legislative und Exekutive, also neue Gesetze und Regeln folgen müssen. Die Antikorruptionsorganisation selbst kann dafür nur Anstöße und Argumente liefern. Wenn ihr, wie im Falle des inzwischen zurückgetretenen Bundespräsidenten, der Wille zu Offenheit und Aufklärung zu fehlen scheint, bleibt TI nur der demonstrative Protest. Der äußerte sich gegenüber Christian Wulff so, dass die TI-Vorsitzende Edda Müller der Einladung zum Neujahrsempfang nicht folgte.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Bettina Marx