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Bayern

Jutta Wasserrab

Der eine spricht wenig Bayerisch, der andere kaum Hochdeutsch. Der eine arbeitet am PC, der andere mit Hühnern. Zusammen verkörpern sie ein Phänomen: Laptop und Lederhose - die Begeisterung fürs Alte und Neue.

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"Die rechte Herzhälfte haben wir unterschätzt!", sagt Bernhard Mumm. Mit gerade einmal 50 Jahren ist der Geschäftsleiter des Technologie-Bereichs schon Urgestein der Münchner Firma TomTec. Hinter ihm tänzelt auf einem schwarzen Flach-Bildschirm eine knallrote Herzhälfte. Die rechte Herzkammer ist krumm und schmiegt sich an die Nachbarkammer. Sie mitsamt Bewegung auf den Bildschirm zu zaubern, war nicht einfach. Zusammen mit seinen 130 Angestellten entwickelt Geschäftsführer Mumm dreidimensionale Ultraschallbilder, die sich auch noch drehen und wenden lassen. Das Herz von oben und von unten - wahlweise in Scheibchen oder am Stück. Von der Kernspintomographie ist man solche Bilder gewöhnt - nicht vom Ultraschall. Solche Schallbilder können nur wenige auf der Welt auf Bildschirme zaubern. Mumms Leute können es.

Den Preußen einen vor den Bug

Bernhard Mumm mit einem Mitarbeiter
Bernhard Mumm mit einem MitarbeiterBild: Jutta Wasserrab

Mumm und TomTec sind so richtig nach dem Geschmack der bayerischen Regierung: jung, innovativ und international. In Bayern wollte man endlich weg vom Image des armen, hinterwäldlerischen Bauernstaates - mit Erfolg. Der Siemens-Konzern war der erste prominente Fang, als er 1953 von Berlin nach Bayern wechselte. Das war Balsam auf die Seele der Bayern, die traditionell im Konkurrenzkampf zu den Preußen stehen. Und es war der erste Baustein fürs "Bavarian-Silicon-Valley" tausender Unternehmen der Hightech-, Biotech- und IT-Branche, die sich heute nicht nur in München konzentrieren, sondern auch in Erlangen, Nürnberg und Würzburg.

Tradition hat ihre Grenzen

Die Bauern sind trotzdem geblieben: 3,5 Millionen Hektar Ackerland gibt es, 160 Hektar davon bebaut Anton Kreitmair. Neben einer Biogas-Anlage hat Kreitmair noch 700 Hühner und einen Hofladen. Seine Schweine hat Kreitmair allerdings aufgeben müssen. "Der Geruch", sagt er. Die Bewohner von Kleinberghofen hingen zwar am Dorfleben, gingen in Schützen- oder Heimatvereine - so wie er auch. Spätestens beim Schweinegeruch hört das gute Verhältnis der Bayern zur Tradition aber offenbar auf.

Wo das Vieh steht, ist das "Stimmvieh"

Hühner auf dem Hof von Anton Kreitmair
Hühner auf dem Hof von Anton KreitmairBild: Jutta Wasserrab

Beim Wählen allerdings bleibt in Bayern immer alles beim Alten. Seit mehr als fünfzig Jahren ist die konservative CSU ununterbrochen an der Macht. Nicht selten erreicht sie bei Landtagswahlen absolute Mehrheiten. Und Kleinberghofen hilft dabei jedes Mal kräftig mit. Dörfer sind die Stütze der bayerischen Konservativen. Für die Sozialdemokraten sind Gegenden wie die um Kleinberghofen verlorenes Land. In Bayern haben sie nur in Städten eine Chance.

Nicht alles nur Klischee

Wenn schon nicht in der Politik, dann wenigstens auf dem Oktoberfest - da wachsen Dorf und Stadt, da wachsen die Mumms und Kreitmairs zusammen. Was einigen Regionen Deutschlands der Karneval, ist für viele Bayern das Oktoberfest - eine Art fünfte Jahreszeit. Ein Muss, findet Bernhard Mumm, schon seinen Geschäftspartnern zuliebe. Die erwarten einen Ausflug zum legendärsten Volksfest Deutschlands. Der gehört ebenso zum Bayern-Besuch wie das Hofbräuhaus, Bayerns bekanntestes Brauhaus, die Schweinshaxe, Bayerns mächtigstes Gericht, der Chiemsee, Bayerns beliebtestes Gewässer, die Zugspitze, Bayerns höchster Berg und Neuschwanstein - Bayerns verspieltestes Schloss. "Das ist natürlich alles Klischee, aber zum Teil entspricht das ja auch unserer Realität", resümiert Mumm gelassen und lacht verschmitzt.

Starke Heimatgefühle

Anton Kreitmair füttert seine Hühner
Anton Kreitmair füttert seine HühnerBild: Jutta Wasserrab

Eine Realität, die übrigens weder Kreitmair noch Mumm aufgeben wollen. Ein Leben ohne seinen Hof kann sich Bauer Kreitmair ohnehin nicht vorstellen. Und ein Leben ohne seinen Stammtisch mitsamt bayerischer Maß, dem traditionellen Ein-Liter-Bierkrug, auch nicht. Bernhard Mumm hatte sogar schon ein Visum für die USA in der Tasche als der Hauptsitz von TomTec nach Chicago verlagert wurde. In letzter Minute hat er sich's dann doch noch anders überlegt und ist geblieben - der Freunde wegen, aber auch wegen der Berge, Seen und bayerischen Gaumenfreunden. Und den Hauptsitz von TomTec hat er auch wieder nach München geholt.