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Der Sozialstaat in der Diskussion

19. Februar 2010

Braucht Deutschland eine Diskussion über die Reform des Sozialstaates?

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Martin Muno (Foto: Christel Becker-Rau, DW)
Martin MunoBild: DW/Christel Becker-Rau

"Sozialistische Züge! und "spätrömische Dekadenz" – die Wortwahl des FDP-Chefs und Bundesaußenministers Guido Westerwelle war drastisch. Als ob der Untergang des Abendlandes drohe – nur weil das höchste deutsche Gericht die Berechnung der staatlichen Hilfen für Langzeitarbeitslose und vor allem deren Kinder für verfassungswidrig erklärt hatte. Auch wenn es Regierungspolitiker angesichts leerer Staatskassen nicht gerne hören: Es könnte schon sein, dass mehr für Bedürftige ausgegeben werden muss.

Westerwelle liegt mit seiner Suada schief – denn seine Maßstäbe stimmen nicht: Mehr als 100 Milliarden Euro an Hilfeleistungen und Garantien hat der Staat zuletzt locker gemacht, um Banken zu helfen, die sich durch hemmungslose Gier verzockt hatten. Hat der FDP-Vorsitzende sich angesichts dieser gesellschaftspolitischen Katastrophe jemals so drastisch geäußert? Hat er nicht!

Oder das jüngste Beispiel: Rund 3000 Personen zeigten sich bei deutschen Finanzämtern selbst an. Sie reagierten damit auf die Gefahr, dass ihre Steuerhinterziehung durch Daten-CDs ans Licht kommt. Insgesamt rechnet der Fiskus mit Steuernachzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe. Hat der FDP-Vorsitzende diese Fälle von Steuerflucht vehement verurteilt? Nein, auch das hat er nicht!

Warum nicht? Das hat einen einfachen Grund: Die FDP ist nach wie vor die Partei der Besserverdienenden. Das ist in Ordnung so. Auch Starke brauchen Interessenvertreter. Aber wer ein Regierungsamt innehat, ist dem Gemeinwohl verpflichtet und nicht seiner Klientel.

Nach Angaben des Instituts für Wirtschaftsforschung wächst die Armut in Deutschland rapide. Insgesamt elf Millionen Menschen sind betroffen – ein Drittel mehr als noch vor zehn Jahren. Soziale Marktwirtschaft heißt, dass man sich auch um diese Leute kümmert. Und Liberalismus im Sinne von Theoretikern wie John Rawls heißt auch, dass jeder in der Gesellschaft gleiche Chancen zum sozialen Aufstieg haben muss, auch Kinder von Arbeitslosen. Das ist nicht nur ein Gebot von Gerechtigkeit und Fairness. Sondern auch eines von gesellschaftspolitischer Klugheit.

Autor: Martin Muno
Redaktion: Hartmut Lüning