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Kontroverse Debatte um Moschee-Bau in Athen

5. Mai 2006

Alte Moscheen gibt es in vielen griechischen Städten. Sie sind Relikte der osmanischen Herrschaft und werden oft als Museen oder Veranstaltungsorte genutzt. Der Neubau einer Moschee in Athen sorgt für erregte Debatten.

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Eine Moschee neben antiken Stätten?

"Eine Moschee mitten in Athen" fordert die neue griechische Außenministerin Dora Bakogianni. Eigentlich wäre eine Moschee eine Selbstverständlichkeit, denn heute leben über 200.000 Moslems allein in der griechischen Hauptstadt. Die meisten sind Einwanderer aus Pakistan, Albanien und dem Nahen Osten. Sie beten in inoffiziellen Gebetsräumen. Wie viele davon es gibt, ist nicht bekannt: Manche Schätzungen gehen von mindestens 20 im Großraum Athen aus, andere sprechen von knapp hundert Hinterhofmoscheen. Athen ist damit die einzige europäische Hauptstadt ohne Moschee.

Beten in Hinterzimmern

Tanvir Ahmed ist Vorsitzender der Gemeinde Tal-Islam. Er pflegt einen Ort des Gebetes im Athener Zentrum, untergebracht im dritten Stock einer Altbauwohnung. Die Gläubigen stauen sich in einem engen Hinterzimmer. Die Umgebung ist nicht eben einladend - Drogendealer und andere dunkle Gestalten bevölkern die Seitenstraßen rund um das Gebäude. Tanvir Ahmed redet sich seinen Kummer vom Herzen: "Wir Moslems brauchen unbedingt eine Moschee. Griechenland ist unsere zweite Heimat, wir alle leben in Athen seit über zehn Jahren! Sowohl Ministerpräsident Karamanlis, als auch Erzbischof Christodoulos sprechen sich heute für den Bau einer Moschee aus. Wir freuen uns darüber und hoffen, dass die Bauarbeiten endlich beginnen."

Widerstand der orthodoxen Kirche

Die Rechtslage ist kompliziert. Griechenland kennt keine Trennung von Kirche und Staat. Laut Gesetz bedarf jedes nichtorthodoxe Gotteshaus einer Genehmigung der mächtigen griechisch-orthodoxen Kirche. Und diese hatte sich bislang gegen den Bau der Moschee ausgesprochen. Doch der Oberste Gerichtshof des Landes hat dieses Gesetz für nichtig erklärt. Seitdem herrscht vornehme Zurückhaltung beim orthodoxen Klerus - auch in der Frage der neuen Moschee. Dazu der Sprecher der Kirche Charis Konidaris: „Ich darf Sie darauf hinweisen, dass in diesem Punkt nicht die Kirche, sondern allein der Staat zuständig ist - und zwar das "Ministerium für Bildung und religiöse Angelegenheiten". Sollte die Kirche nach ihrer Meinung gefragt werden, so wird die Kirche ihre Meinung äußern und, falls erforderlich, mit der griechischen Regierung zusammenarbeiten. Wichtig ist, dass bei den moslemischen Einwanderern Einheit und Toleranz herrschen".

Im Klartext: Die Kirchenleitung hat nichts gegen eine Moschee als solche, wohl aber gegen ein islamisches Zentrum, das die "Einheit und Toleranz" der Gläubigen untergraben könnte, wie man es vorsichtig formuliert. Außenministerin Dora Bakogianni argumentiert hingegen, eine offizielle Moschee würde die Kontrolle über mögliche extremistische Propaganda unter den Muslimen in Griechenland erleichtern. Die vielen inoffiziellen Gebetsräume seien dagegen schwerer zu überprüfen.

Angst vor Fanatikern

Problematisch ist auch der Ort, an dem die Moschee stehen soll. Im Gespräch ist ein Grundstück in der Nähe des Flughafens - doch die Anwohner sind bislang nicht begeistert davon. Saudi-Arabien hat sich dazu bereit erklärt, sowohl die Moschee, als auch ein muslimisches Kulturzentrum in Athen zu finanzieren. Die griechische Regierung würde die Baufinanzierung lieber selbst übernehmen und auf das Kulturzentrum ganz verzichten.

Die Angst vor politischen und religiösen Fanatiker geht um, auch wenn man nicht gerne darüber spricht. Kirchensprecher Konidaris: "Wir spüren schon etwas Angst. Gewisse Ereignisse in Frankreich oder auch in Deutschland geben uns zu denken. Auf der anderen Seite muss man auch sagen: Gerade weil unsere moslemischen Mitbürger keinen geeigneten Ort des Gebetes haben, besteht wohl eher die Gefahr, dass sie extremistischer Propaganda zum Opfer fallen!"

Einwanderer aus Pakistan bilden die größte moslemische Gemeinde im Großraum Athen; sie zählt über 50.000 Mitglieder. Der Politikwissenschaftler Javed Aslam wurde zum Vorsitzenden der Gemeinde gewählt. Er will den Einwand des potentiellen Extremismus nicht gelten lassen. Eine Moschee als Ort der Agitation kann er sich nicht vorstellen. Aslam sagt: "Pakistanis sind brave Bürger, das haben wir immer wieder unter Beweis gestellt. Wir kümmern uns nur um unsere Arbeit hier, um nichts anderes! Wir wurden in Griechenland freundlich aufgenommen und damit sind wir alle auch sehr zufrieden. Und ich sage Ihnen, falls jemand unzufrieden ist und Unruhe stiftet, würde ich ihn sofort von unserer Gemeinde ausschließen!"

Eine Moschee für alle?

Für Javed Aslam steht fest: Alle Moslems haben das Recht, ihre Religion frei auszuüben. Immerhin wäre der Bau einer Moschee ein erster, wichtiger Schritt. Doch dann, sagt Javed Aslam, müssten weitere Schritte folgen: "Eine einzige Moschee würde mit Sicherheit nicht ausreichen. Schauen Sie, wir haben hier Schiiten und Sunniten, wir haben Kurden und Saudis. Der Anfang wäre eine Moschee. Doch dann, meine ich, brauchen wir mindestens fünf Moscheen hier in Athen, damit Menschen aller Glaubensrichtungen in Ruhe beten können."

Zunächst allerdings muss man in Griechenland über die umstrittene erste Moschee diskutieren und entscheiden.

Jannis Papadimitriou / Athen

DW-RADIO/ Griechisch, 3.5.2006, Fokus Ost-Südost