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Kontroverse zu Wulff-Äußerung über Islam

7. Oktober 2010

Die Unionsparteien streiten nach der Rede von Bundespräsident Wulff weiter über die Rolle des Islams in Deutschland. Unterdessen fordern SPD und Grüne eine Gleichstellung des Islam mit den Kirchen.

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Eine deutsche Flagge weht an dem Minarett einer Moschee (Foto:dpa)
Kontroverses Thema: Die Rolle des Islam in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa

Vor allem in der CSU, aber auch in Teilen der CDU war Kritik an der Äußerung von Bundespräsident Christian Wulff laut geworden, dass der Islam inzwischen auch zu Deutschland gehöre. Unterstützung erhielt Wulff am Donnerstag (07.10.2010) von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer, die im Bundestag ihren aktuellen Ausländerbericht vorstellte. Aus dem Report ging hervor, dass im Jahr 2008 fast ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland einen Migrationshintergrund hatte.

Hessens Ministerpräsident Bouffier spricht am 07.10.2010 im Bundestag (Foto: dpa)
Sorgte für Aufregung im Plenum: Hessens Ministerpräsident BouffierBild: picture-alliance/dpa

Böhmer sagte im Parlament, sie sei dankbar, dass Wulff sich mit so großer Intensität dem Thema Integration angenommen habe. "Wir dürfen das Feld nicht (Thilo) Sarrazin, seinen Halbwahrheiten und seinen kruden Vererbungstheorien überlassen." Deutschland müsse sich als weltoffenes und tolerantes Land präsentieren. Die CDU-Politikerin erinnerte daran, dass auch Wolfgang Schäuble - noch in seiner Eigenschaft als früherer Bundesinnenminister - einmal gesagt habe: "Der Islam ist Teil Deutschlands." Dieser Satz bleibe gültig. Aber es sei ebenfalls klar, dass die Grundlage des Wertesystems und des Grundgesetzes die christlich-jüdische Tradition bleibe.

Kritik an Wulff aus den eigenen Reihen

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, spricht am 07.10.2010 im Bundestag (Foto: dpa)
Die Integrationsbeauftragte Böhmer stellte den achten Ausländerbericht vorBild: picture-alliance/dpa

Für Aufregung sorgten im Bundestag die Äußerungen des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU). Die christlich-abendländische Tradition sei das Fundament der deutschen Gesellschaft, betonte er. Diese Leitplanken dürften nicht aufgegeben werden. "Die Scharia kann nicht Grundlage einer gelungenen Integration in Deutschland sein." Er forderte einen offenen und ehrlichen Umgang mit den Problemen der Integration von Ausländern in Deutschland. Ähnlich wie Bouffier hatte sich zuvor auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) in einem Zeitungsinterview geäußert.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) unterstrich in der Debatte, es gebe keinen Anlass, den Islam in die deutsche Werteordnung einzupassen. Dagegen betonte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), es gebe in Deutschland sehr viele gut integrierte Muslime.

Die Opposition im Bundestag bezeichnete die Kontroverse in der Union um die Rede Wulffs als unsachlich. Sie warf der Bundesregierung Taten- und Konzeptlosigkeit in der Integrationspolitik vor. Die Aufregung über die Äußerungen Wulffs sei unverständlich und nicht zielführend, hieß es.

Forderung nach Gleichstellung des Islam mit Kirchen

SPD und Grüne hatten sich zuvor dafür ausgesprochen, den Islam staatlich als Religionsgemeinschaft anzuerkennen und damit rechtlich den christlichen Kirchen gleichzustellen. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Donnerstag, "es wäre ein wichtiges Signal an die vier Millionen Muslime in Deutschland, wenn der Staat den Islam als Religionsgemeinschaft anerkennt". Ähnlich äußerte sich der integrationspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Memet Kilic, in dem Blatt. "Die Anerkennung des Islam als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft würde den Muslimen das Gefühl vermitteln, in Deutschland willkommen und angekommen zu sein", sagte Kilic. Die aktuelle Debatte in der Union um die Rolle des Islam bewirke gerade das Gegenteil.

Eine staatliche Anerkennung des Islam als Religionsgemeinschaft würde einige Vorteile nach sich ziehen. So wie derzeit die christlichen Kirchen, hätte der Islam dann etwa das Recht, durch den Staat Steuern für eigene Zwecke einziehen zu lassen oder auf Kosten des Staates Religionsunterricht in Schulen zu erteilen.

Zentralrat der Juden: Wulffs Rede war mutig

Bundespräsident Christian Wulff hält am 03.10.2010 seine Rede zur Integration (Foto: dpa)
Wulff: Der Islam gehört zu DeutschlandBild: picture alliance/dpa

Nach viel Kritik aus den eigenen politischen Reihen erhielt Wulff Zustimmung von den verschiedenen Religionsgemeinschaften. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, nannte die Rede des Bundespräsidenten vom vergangenen Sonntag mutig. Obwohl die Empörung abzusehen gewesen sei, habe der Bundespräsident Flagge gezeigt. Das verdiene Anerkennung und Respekt.

Alois Glück, der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, sagte, er sei froh über Wulffs Worte. "Im Gespräch mit Muslimen merke ich, wie sehr die meisten wünschen, ein Teil dieses Landes zu sein".

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, prophezeite am Donnerstag in einem Radiointerview, in einigen Jahrzehnten werde man von einer "christlich-jüdisch-islamischen Kultur in Deutschland" sprechen.

Autorin: Ursula Kissel (dapd, kna, epd, afp)
Redaktion: Marion Linnenbrink