1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wahlkampf in Sierra Leone

Daniel Pelz 17. November 2012

Die Wahl im westafrikanischen Sierra Leone ist ein heikler Test für die Stabilität des Landes. Zehn Jahre nach Ende des blutigen Bürgerkriegs sind die Herausforderungen riesig.

https://p.dw.com/p/16k7r
Wahlkundgebung der SLPP in der Hauptstadt Freetown (Foto: DW)
Bild: Daniel Pelz

Freetown ist eine grüne Stadt - zumindest für einen Tag. Mehr als tausend Anhänger der Oppositionspartei SLPP (Sierra Leone People's Party) haben sich vor der Parteizentrale versammelt. Nicht nur ihre T-Shirts sind grün, sogar manche Gesichter sind bemalt. Überall ragen Palmzweige aus der Menge - das Symbol der größten Oppositionspartei des Landes. Die politische Botschaft ist eindeutig: "Für eine neue Richtung" steht auf einem meterhohen Plakat mit dem Gesicht des Spitzenkandidaten, Julius Madaa Bio.

Doch in der Menge geht es zunächst nicht um Inhalte, sondern um Stimmung. Whiskey- und Rumflaschen gehen von Hand zu Hand, überall drängen sich Verkäufer, die Schnaps in Plastikbeuteln anbieten. Die schwüle Tropenluft drückt auf die Stadt und der Schweiß rinnt über die Gesichter der tanzenden Menge. "Ich wähle Madaa Bio", kreischt eine junge Frau hinter einer großen Sonnenbrille. Der Kandidat lächelt breit von ihrem T-Shirt. "Ich will, dass die SLPP die Wirtschaft stärker kontrolliert. Ein Sack Reis muss endlich wieder auf den Preis von 60.000 Leones (umgerechnet 10 Euro) sinken." Ein Mann neben ihr stimmt zu: "Dieses Land ist voller Bodenschätze. Und unsere Wirtschaft geht den Bach herunter."

Anhänger der Oppositionspartei SLPP in der Hauptstadt Freetown (Foto: DW)
Yes, they can? Die SLPP will aus der Opposition zurück an die MachtBild: Daniel Pelz

Mehr Jobs für Jugendliche

Solche Stimmen hört Suleiman Banja Tejan-Sie gerne. Der Generalsekretär sitzt in seinem Büro in der ebenfalls grün gestrichenen Parteizentrale. Die letzten Vorbereitungen für die Wahlkundgebung stehen an. Hinter ihm an der Wand prangen zwei Wahlplakate von Barack Obama aus dem Wahlkampf 2008. "Yes, we can!" versprechen die Plakate. Einmal gebeten, die Versäumnisse der Regierung des amtierenden Präsidenten Ernest Bai Koroma aufzuzählen, kommt der drahtige Mann mit der modischen schwarzen Brille sofort in Fahrt.

 "Die Regierung hat die Entwicklung der Infrastruktur zu ihrer ersten Priorität gemacht, statt sich der Jugendarbeitslosigkeit anzunehmen", sagt Tejan-Sie. Rund 60 Prozent der jungen Erwachsenen sind in Sierra Leone ohne Arbeit. Ein Problem mit riesigen Folgen, denn sie stellen die Mehrheit der Bevölkerung. Viele Beobachter sehen in der hohen Jugendarbeitslosigkeit ein drohendes Risiko für die Sicherheit Sierra Leones.

80 Prozent unter der Armutsgrenze

Die SLPP verspricht daher von allem mehr: zum Beispiel mehr Geld für die öffentlichen Schulen und die Krankenhäuser, sagt Tejan-Sie. Was der Generalsekretär nicht sagt: Seine Partei war bereits von 2002 bis 2007 an der Macht, hat die Probleme des Landes aber auch nicht gelöst.

Die sind zehn Jahre nach Ende des verheerenden Bürgerkrieges noch immer enorm: Vier von fünf Menschen in Sierra Leone gelten als arm. Die Lebenserwartung beträgt im Durchschnitt kaum 48 Jahre. Und noch immer können fast 60 Prozent der Bevölkerung nicht lesen und schreiben.

Grün gegen Rot

Trotzdem wird die Wahl wohl ein knappes Rennen werden. Als das grüne Meer der SLPP-Anhänger den Platz vor der Parteizentrale verlässt, machen sie einen weiten Bogen um die zentralen Einkaufsstraßen. Denn die vielen fliegenden Händler hier sind Anhänger der Regierungspartei APC (All People's Congress) von Präsident Ernest Bai Koroma. Hier ist rot die dominierende Farbe.

Plakat des amtierenden Präsidenten von Sierra Leone, Ernest Bai Koroma (Foto: DW)
Präsident Ernest Bai Koroma ist immer noch populärBild: Daniel Pelz

Der Präsident genießt hohes Ansehen. "Wir haben jetzt Strom und gute Straßen. Der Präsident arbeitet sehr hart für unser Land und deswegen mögen wir ihn", sagt ein Händler, der neben einem Holztisch sitzt, auf dem sich Stromkabel, Glühbirnen und Steckdosen türmen. "Wir freuen uns über die vielen Entwicklungsprojekte überall im Land", sagt ein anderer.

Liebling der internationalen Gemeinschaft

Präsident Ernest Bai Koroma ist nicht nur der Favorit der Händler, sondern auch in der internationalen Gemeinschaft beliebt. Seine "Agenda für den Wechsel" entspricht den Vorstellungen der Geber. In den letzten fünf Jahren hat er vor allem auf eine liberale Wirtschaftspolitik gesetzt. Investoren gibt es reichlich: Das Land lockt mit Bodenschätzen wie Diamanten, Bauxit und fruchtbarem Ackerland. Und wer Geld einbringt, wird vom Staat gut behandelt: Die ersten zehn Jahre zahlen ausländische Investoren keine Steuern. Gewinne können sie unbegrenzt aus dem Land ausführen.

Dabei räumt selbst die Regierungspartei in ihrem Wahlprogramm ein, dass sie ausländischen Investoren gegenüber mitunter zu großzügig war. Vor allem will sie dafür sorgen, dass mehr Sierra Leoner von den internationalen Firmen eingestellt werden - bisher brachten diese ihre Arbeitskräfte größtenteils mit. Trotzdem: In der Zentrale der Regierungspartei APC ist man sich sicher, alles richtig gemacht zu haben - auch wenn die Arbeitslosenrate nach wie vor hoch ist.

Arbeiter in einer Diamantenmine im Osten Sierra Leones (Foto: EPA)
Trotz seiner Bodenschätze ist Sierra Leone eines der ärmsten Länder der WeltBild: dapd

"Privatwirtschaft soll Arbeitsplätze schaffen"

"Keine Regierung der Welt kann Arbeitsplätze schaffen. Das ist die Aufgabe der Privatwirtschaft. Daher versuchen wir Bedingungen zu schaffen, die mehr Investoren anlocken", sagt Cornelius Derveaux, Chefredakteur der Parteizeitung. Doch einfach wird es für die Regierung nicht. In einigen Gegenden des Landes nimmt der Protest gegen die Investoren aus dem Ausland zu. Vor allem gegen die Enteignung großer Landflächen oder die schlechte Bezahlung der sierra-leonischen Arbeiter.

Egal, ob Maada Bio oder Koroma: Internationale Beobachter sagen hinter vorgehaltener Hand, dass sie in keinem Fall große Änderungen erwarten. Die Herausforderungen für den alten oder neuen Präsidenten sind in jedem Fall enorm.