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Glaube

"Vertreibung von Christen ist ein Fehler"

Hicham Driouich
14. Mai 2019

Papst Tawadros II. warnt, die Vertreibung von Christen im Nahen Osten gefährde die Sicherheit in der Region. Das Oberhaupt der koptischen Christen war in Deutschland, um ein Gotteshaus für seine Gemeinde einzuweihen.

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Der koptische Papst Tawadros II in Düsseldorf
Der koptische Papst Tawardos II. in DüsseldorfBild: Imago Images/O. Langel

DW: Warum ist die Einweihung einer neuen koptischen Kirche in Düsseldorf so bedeutend?

Papst Tawadros II.: Die Einweihung dieser Kirche ist praktisch der letzte Schritt, um die Existenz des Gotteshauses für die Gemeinde offiziell nachzuweisen. Für eine Kirche ist ein solcher Schritt einmalig, es ist wie eine Geburtsurkunde.

Dieses Gebäude ist eine Schenkung des katholischen Kardinals Rainer Maria Woelki an die koptischen Christen. Welche Bedeutung hat das aus Ihrer Sicht?

Die Zahl der Kopten, die in Deutschland ankommen, ist zwar nicht besonders hoch, sie steigt aber an. Wir gehen davon aus, dass es sich inzwischen um etwa 1000 Familien handelt. Es gab also Bedarf für einen größeren Ort der Zusammenkunft. Und mit Blick auf unsere finanziellen Möglichkeiten hat uns die katholische Kirche dieses Gebäude angeboten, damit es künftig ein Ort sein kann, an dem sich alle Kopten versammeln.

In den vergangenen Jahren sind Kopten in Ägypten immer wieder das Ziel von Terroranschlägen gewesen. Wie sind die die Lebensbedingungen für ägyptische Kopten heute?

Die Verhältnisse haben sich deutlich verbessert. In Ägypten haben wir es ja mit zwei grundsätzlichen Auseinandersetzungen zu tun: Es geht um den Kampf gegen den Terrorismus, zweitens kämpfen wir um Fortschritt, um Entwicklung. Im Kampf gegen den Terrorismus ist bereits gutes Stück geschafft. Und es sind ja nicht nur die Kopten, die terroristischen Anschlägen zum Opfer gefallen sind. Der Terror in Ägypten richtet sich gegen die Armee und gegen die Polizei, gegen alle Ägypter eigentlich. Was die ägyptischen Streitkräfte gegen den Terror unternehmen, ist bewundernswert. Ich erwarte, dass dieser Kampf bald vorbei sein wird.

Was ist Ihre Botschaft an die ägyptischen Kopten, die in Deutschland leben?

Kopten haben hier ein neues Heimatland gefunden, ein neues Umfeld. Die Kirche bemüht sich darum, dass die alten Verbindungen und die Verbundenheit mit der ägyptischen Heimat nicht abreißen. Es ist ja grundsätzlich so, dass sie doch in ihrem Herzen Ägypter bleiben. Wir haben also ein starkes Band zwischen ägyptischen Kopten in allen Teilen dieser Welt. Meine Worte an sie lauten: Lebt in der Gesellschaft, in der ihr seid. Integriert Euch und genießt alle Vorzüge der westlichen Zivilisation und der Gesellschaft in Deutschland! Lernt die Sprache, das ist ein wichtiges Thema, aber vergesst auch nicht Eure arabische Sprache und die koptischen Traditionen, die ihr in Ägypten gelernt habt. Liebet Eure Mitmenschen und baut gute Beziehungen untereinander auf, denn am Ende sind wir doch alle Menschen.

Christen im Nahen und Mittleren Osten sind in jüngster Zeit auch Opfer von Vertreibung geworden. Einige westliche Staaten haben viele der Flüchtlinge aufgenommen. Glauben Sie, dass Christen besser in ihren Heimatländern bleiben und versuchen sollten, dort die Situation zu verbessern? Oder ermuntern Sie sie zur Emigration?

Das Christentum hat doch im Nahen Osten seinen Ursprung. Vor dem Hintergrund sehe ich in der Vertreibung von Christen aus dieser Region letztlich eine Gefahr für die Sicherheit. Und zwar nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in der Mittelmeer-Region. Das hat Auswirkungen bis nach Europa, und auf die arabischen Staaten ohnehin. Also, die Vertreibung von Christen aus ihren Heimatländern ist ein sehr großer Fehler. Die Gesellschaft im Nahen Osten ist gleichsam geprägt durch die Existenz der Juden, die Präsenz der Christen und die Präsenz der Moslems. Sie leben alle in der Region, und es wäre viel besser, all diesen Menschen eine Zukunft in ihren Heimatländern zu ermöglichen.

Papst Tawadros II. ist das Oberhaupt der koptischen Christen. Am Sonntag (12. Mai) besuchte er die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf, um im dortigen Stadtteil Heerdt die Bunkerkirche als koptisch-orthodoxes Gotteshaus zu weihen. Das Interview führte Hicham Driouich.