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Korruption und zu wenige Soldaten

12. Juni 2008

Die Bildung einer Berufsarmee in Russland sei faktisch gescheitert, meinen Menschenrechtler. Auf einer Konferenz in Moskau beklagten sie Fehlentwicklungen, zu denen auch Korruption gehört.

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Zu wenige Russen wollen Soldaten werdenBild: AP

In Moskau hat im Unabhängigen Pressezentrum eine Pressekonferenz unter dem Motto "Wer braucht keine Berufsarmee?" stattgefunden. Die Bildung einer Berufsarmee in Russland sei praktisch gescheitert, erklärten Bürgerrechtler. Es sei nicht gelungen, die Militäreinheiten vollständig mit Berufssoldaten zu besetzen. Es fehle an Geld, um akzeptable Dienstbedingungen zu schaffen. Korruption sei in der Armee weiterhin stark verbreitet.

Reform nahm falschen Weg

Viele Bürgerrechtler, die früher an vorderster Front für eine Berufsarmee sich eingesetzt hatten, kämpfen nun wieder in der ersten Reihe - aber jetzt als Gegner einer Berufsarmee. Wie der Koordinator der gesellschaftlichen Organisation "Bürger und Armee", Sergej Kriwenko, erklärte, habe sich die Haltung der Bürgerrechtler verändert, da die Armeereformen einen falschen Weg genommen hätten.

"Das Reformprogramm der russischen Regierung hatte mehrere Ziele verfolgt und keines wurde erreicht", sagte Kriwenko. Das wichtigste Anzeichen dafür ist nach seiner Ansicht, dass es dem Verteidigungsministerium nicht gelungen sei, mindestens 125.000 Berufssoldaten zusammenzubekommen. "Mit größter Mühe sind es 100.000 geworden. Deshalb ist der Übergang zu einer Berufsarmee durch die schlechte Arbeit des Verteidigungsministeriums bedroht. Der Generalstab muss eingestehen, dass er nicht das schaffen konnte, was notwendig gewesen wäre", sagte Kriwenko.

"Milliarden Rubel verschwunden"

Neben den personellen Defiziten bei den Truppen seien auch die für eine Berufsarmee notwendigen Rahmenbedingen nicht geschaffen worden. Witalij Zymbal, zuständig für Militärökonomie am Moskauer Institut für Wirtschaft in der Transformation, sagte, die erforderlichen Dienst- und Lebensbedingungen seien nicht gewährleistet. "Einerseits sagt man, das Reformprogramm sei abgeschlossen, in dem Sinne, dass das gesamte Geld, was für dessen Umsetzung bereitgestellt wurde, ausgegeben sei", so der Wissenschaftler. "Aber als man Berufssoldaten mit Wohnraum versorgen musste, erklärte das Verteidigungsministerium trotzdem, es gebe keine freien Wohnplätze."

Dutzende Milliarden Rubel seien vermutlich verschwunden, meint Zymbal. Wie viel genau, sei schwierig zu sagen. Insgesamt seien für das Programm in vier Jahren 99 Milliarden Rubel zur Verfügung gestellt worden. Davon seien lediglich vier Milliarden in die Erhöhung des Soldes geflossen.

Problem Korruption

Auch die Korruption sei zu einem Problem beim Aufbau der Berufsarmee geworden. Das erklärte das Mitglied des Expertenrates beim Menschenrechtsbeauftragten der Russischen Föderation, Ljudmila Wachnina. "Die Methoden sind verschieden", sagt die Bürgerrechtlerin, "Abgabe eines Teils des Soldes für die Bedürfnisse der Einheit, z.B. für den Kauf irgendwelcher Uniformen. Dann muss man auch noch zahlen, um Urlaub zu bekommen. Zahlen muss man auch für die absolut legitime und kostenlose Kündigung des Vertrags. Derzeit blüht dieses Geschäft so sehr, dass Berufssoldaten ohne Schmiergeld aus dem Dienst einfach nicht mehr entlassen werden." Wachnina sagte, das Schmiergeld fließe meist in die Taschen von Offizieren, die die Korruptionspyramiden errichteten.

Menschenrechtler meinen, wenn man es nicht schaffe, die Militärs dazu zu bringen, die Gesetze einzuhalten, werde es auch nicht gelingen, die Bedingungen für einen normalen Militärdienst zu schaffen, und für eine Berufsarmee schon gar nicht.

Jegor Winogradow