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Ende der Siemens-Affäre

9. Dezember 2009

Aus Anlass des Antikorruptionstags blicken wir auf die Siemens-Affäre zurück. Mit einer harten Aufklärung hat es der größte deutsche Elektrokonzern geschafft, sich von seinen Altlasten zu befreien.

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Auf fünf vor zwölf steht die Uhr auf dem Alten Verwaltungsgebäude von Siemens in Erlangen (Foto: dpa)
Siemens hat seine Korruptionsaffäre aufgearbeitetBild: picture-alliance/dpa

Im November 2006 durchsucht die Münchner Staatsanwaltschaft Firmenbüros und auch die Wohnungen einiger Mitarbeiter. Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, Siemens-Beschäftigte hätten Gelder des Konzerns veruntreut, um damit potenzielle Auftraggeber zu bestechen. Immer neue Details der Korruptionsaffäre kommen im Laufe der Zeit ans Tageslicht.

Insbesondere die Festnetz-Telefonsparte scheint systematisch mit Hilfe schwarzer Kassen, fingierten Beraterverträgen und Scheinfirmen weltweit Aufträge an Land gezogen zu haben. Ob in Russland, Nigeria oder Griechenland - Vertriebsmitarbeiter haben kräftig nachgeholfen, um korrupte Beamte oder Firmenvertreter von der Qualität der Siemens-Produkte zu überzeugen.

Aufsichtsratschef und Vorstandschef müssen gehen

Heinrich von Pierer, aufgenommen am 29. Mai 2008 in Frankfurt am Main auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank (Foto: AP)
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Siemens, Heinrich von PiererBild: AP

Besonders intensiv wurde in der Zeit bestochen, als Heinrich von Pierer Vorstandsvorsitzender war. Als Konsequenz tritt von Pierer im April 2007 als Aufsichtsratschef zurück. An dessen Stelle wird der ehemalige Thyssen-Krupp-Chef Gerhard Cromme an die Spitze des Aufsichtsrats gewählt. Der verschärft die Gangart gegen ehemalige und aktuelle Vorstände. Das ist durchaus sinnvoll. Siemens ist an der New Yorker Börse notiert. Die US-Börsenaufsicht und das US-Justizministerium kennen bei Korruption kein Pardon und drohen mit Milliardenstrafen. Die Zukunft des Konzerns steht auf dem Spiel.

Klaus Kleinfeld verlässt am 26. April 2007 die Pressekonferenz zur Halbjahresbilanz des Unternehmens in München (Foto: AP)
Auch Kleinfeld musste gehenBild: AP

Innerhalb von wenigen Wochen verliert der größte deutsche Elektrokonzern nach dem Aufsichtsratschef auch den Vorstandsvorsitzenden. Klaus Kleinfeld hatte zwar nach der Razzia der Staatsanwaltschaft mit Hilfe von US-Ermittlern angefangen, den Konzern nach Korruption zu durchforsten. Allerdings ist er zu diesem Zeitpunkt bereits 20 Jahre im Unternehmen und gehört damit zum System.

Schaden überspringt die 2-Milliarden-Grenze

Der Schaden, der dem Konzern entstanden ist, wird immer größer. Zum Schluss stehen zwei Milliarden Euro in den Büchern. Strafzahlungen, Geldbußen, die Tätigkeit von Ermittlern und Anwälten zwingen Siemens immer mehr Geld in die Hand zu nehmen. Aufsichtsratschef Gerhard Cromme nennt die die Größe des Falles "in jeder Hinsicht erschreckend". Mit dem Österreicher Peter Löscher sucht man den Neuanfang. Der sagt gleich zu Beginn: "Siemens steht für saubere Geschäfte. Und das heißt im Umkehrschluss auch, dass wir Geschäfte im Einzelfall eben nicht machen."

Im Frühjahr 2008 wird einem ehemaligen Siemens-Direktor vor dem Landgericht München der Prozess gemacht. In seinem Urteil findet der Vorsitzende Richter Peter Noll deutliche Worte für das Verhalten der Vorgesetzten des Angeklagten: Es habe ein augenzwinkerndes Akzeptieren gegeben. Korruptionsbeauftragte wurden gezielt klein gehalten. Sie waren, so das Gericht, die Feuerwehr, die zum Großbrand mit dem Zahnputzbecher losgeschickt wurde.

Ex-Vorstände zahlen Vergleiche

Die Aufklärung kommt voran. Die Konsequenz, mit der Siemens die Affäre aufarbeitet, beeindruckt auch die US-Behörden, die sich Ende 2008 mit einer Strafzahlung von 600 Millionen Euro zufrieden geben. Weitere 400 Millionen zahlt der Konzern an deutsche Behörden.

Zumindest einen Teil des Schadens fordert Siemens von seinen ehemaligen Vorständen. Denen droht das Unternehmen mit einer Klage, sollten sie nicht auf den Vergleich eingehen. Mit insgesamt zehn ehemaligen Vorständen hat Siemens nun Vergleiche geschlossen. Diese zahlen von 500.000 bis vier Millionen Euro an Siemens. Von Pierer, der Ex-Chef, zahlt am meisten. Von fünf Millionen Euro ist die Rede. Damit könnte der größte Teil des Skandals tatsächlich beendet sein. Das letzte Wort über diese Vergleiche haben aber erst die Aktionäre bei der Hauptversammlung im Januar 2010.

Der 9. Dezember ist der weltweite Antikorruptionstag. Anlass ist die im Jahr 2003 unterzeichnete UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC), die inzwischen von 140 Staaten ratifiziert wurde - Deutschland gehört allerdings nicht dazu, weil der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung nicht den internationalen Vorgaben entspricht.

Autor: Wolfram Schrag
Redaktion: Julia Elvers-Guyot