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Kraftwerk: Unentschieden im Sampling-Prozess

29. Juli 2019

Diebstahl oder Inspiration? Seit 20 Jahren streiten die Elektropioniere mit Musikproduzent Moses Pelham - durch alle Instanzen. Jetzt entschied der EuGH: Wer sampelt, muss fragen. Fast immer.

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Musik-Band Kraftwerk live
Bild: picture-alliance/dpa/RMV via ZUMA Press/Mike Tudor

Wieso beschäftigt man mehrere Anwälte, Fachleute und Gerichte für zwei Sekunden Musik? Natürlich geht es dabei nicht um die Länge, sondern ums Prinzip: Die Kraftwerk-Musiker sehen sich in ihren Urheberrechten verletzt. Der Hiphop-Produzent Moses Pelham hatte 1997 einen Tonschnipsel der Elektropioniere für den Song "Nur mir" der Rapperin Sabrina Setlur kopiert und als Hintergrundrhythmus in Endlosschleife unterlegt. Darf er das? Mit dieser Frage beschäftigte sich nun der Europäische Gerichtshof (EuGH). Die Antwort: Die Sache ist kompliziert.

Grundsätzlich bedürfe es laut EuGH immer der Zustimmung des Urhebers. So sieht es auch Kraftwerk: In ihren Augen sind die von ihnen kreierten Sounds und Rhythmen ihr Eigentum, egal in welcher Länge. Daher dürfen nur sie diese verwenden, es sei denn, man einigt sich mit einem anderen Musiker auf einen Lizenzvertrag, wie bereits häufig in der Bandgeschichte geschehen.

Urheberrecht oder Kunstfreiheit?

Wie verhält es sich aber nun, wenn die verwendete Musiksequenz beim Sampling stark geändert wurde? Das Urteil des EuGH: Ist die Sequenz "beim Hören nicht wiedererkennbar", handele es sich nicht um ein Zitat des Ursprungswerks, sondern um Kunstfreiheit. Genauso argumentiert auch Musikproduzent Moses Pelham: Er hält Sampling nicht nur für legal, die Technik sei Bestandteil des Hiphops.

Portraitfoto von Moses Pelham in Anzug mit weißem Hemd und schwarzer Krawatten, Glatze, schwarzen Bart und schwarze Brille (Foto: picture alliance/dpa/U. Deck).
Instanz für Instanz: Musikproduzent Moses Pelham 2015 beim Bundesverfassungsgericht in KarlsruheBild: picture alliance/dpa/U. Deck

Wer ist nun im Recht? Verwendet hatte Moses Pelham eine Musiksequenz des Kraftwerk-Songs "Metall auf Metall" von 1977. Ob diese umstrittenen zwei Sekunden Beat für den Hiphop-Song "Nur mir" derart stark verändert wurden, dass der originale Kraftwerk-Sound nicht mehr wiederzuerkennen ist, darüber muss nun der Bundesgerichtshof (BHG) beraten.

Während diese Entscheidung noch aussteht, sehen sich beide Parteien als Sieger. Moses Pelham und seine Anwalte sprachen gar für eine langersehnte rechtliche Sicherheit für Sampling. "Ein Großteil der Popmusik - gerade der 1990er Jahre - wäre ohne Sampling als Form der künstlerischen Auseinandersetzung mit anderen Werken überhaupt nicht denkbar. Die Entscheidung ist eine wichtige
Stärkung der Kunstfreiheit", so Pelham. Als Etappensieger fühlen sich aber auch Kraftwerk. "Wir sind ganz zuversichtlich, dass der BGH zu unseren Gunsten entscheidet", sagte Anwalt Hermann Lindhorst.

Dabei geht es hier nicht nur um einen mehr als 20 Jahre andauernden Rechtsstreit zwischen Musikern - die Entscheidung hat grundsätzliche Bedeutung für die Musikbranche. Schließlich ist die Technik des Samplings in Hiphop und Rap allgegenwärtig.

woy/ka (afp/epd/dpa)