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Kramer: "Seit der WM noch mehr im Fokus"

Constantin Stüve27. August 2014

Seit dem 13. Juli darf sich Christoph Kramer Weltmeister nennen. Im DW-Interview spricht der Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach über die WM, die Zeit danach - und über sein Tagebuch.

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Christoph Kramer mit dem WM-Pokal. Foto: Getty Images
Christoph Kramer mit dem WM-PokalBild: Getty Images

Weltmeister Christoph Kramer im Gespräch

Beim WM-Finale gegen Argentinien prallte Christoph Kramer in der 17. Minute mit seinem Gegenspieler Ezequiel Garay zusammen und zog sich dabei, wie sich später herausstellte, eine Gehirnerschütterung zu. Anschließend wirkte der 23-Jährige desorientiert und musste in der 31. Minute ausgewechselt werden.

DW: Die ganze Welt hat das WM-Finale gesehen. Nur Sie nicht.

Christoph Kramer: Ich habe es mir hinterher nochmal angeguckt. Es war natürlich ein bisschen schade, auch wenn man an so einem Tag eigentlich nicht von "schade" reden darf, weil alles rundum positiv war. Aber für mich war es natürlich ein bisschen blöd, weil ich erst überraschend ins Team rückte, auch relativ gut ins Spiel kam und dann so früh wieder heraus musste.

Woran im Spiel erinnern Sie sich noch?

An alles bis zum Zusammenprall und dann wieder an alles, nachdem ich in der zweiten Halbzeit wieder auf die Bank durfte. Für alles dazwischen habe ich halt eine Amnesie. Die Erinnerungen werden wohl auch nicht wiederkommen.

Stimmt es, dass Sie den Schiedsrichter gefragt haben, ob das wirklich das WM-Finale ist?

Das fällt in die Zeit der Amnesie. Warum sollt er lügen? Vermutlich war es so, aber ich kann mich nicht daran erinnern.

Christoph Kramer liegt im WM-Finale benommen am Boden. Foto: Getty Images
Filmriss nach 17 Minuten WM-FinaleBild: Getty Images

Mit ein bisschen Abstand betrachtet, inwiefern hat Sie der WM-Titel verändert?

Mich persönlich hat er gar nicht verändert. Ich bin immer noch derselbe Mensch, immer noch derselbe Fußballer. Aber die Art und Weise, wie ich öffentlich und ein Stück weit auch privat gesehen werde, hat sich natürlich enorm gewandelt. Auf mich wird mehr geachtet, mein Verhalten wird mehr kontrolliert und interpretiert. Jetzt bin ich wirklich eine Person des öffentlichen Lebens. Das war ich vor der WM auch, aber durch die WM stehe ich noch stärker im Fokus.

Ist das auch im Privatleben so, wenn Sie mit ihren Eltern oder Freunden sprechen?.

Mit meinen Eltern oder engsten Freunden natürlich nicht, das ist ja klar. Aber bei anderen Leuten, die mich schon vor der WM kannten, bemerke ich irgendwie einen größeren Respekt. Woran das liegt, weiß ich nicht. Ich glaube, ich wäre nicht so. Aber Menschen sind in der Beziehung wirklich ein bisschen komisch.

Ihre Karriere ist ja nicht immer planmäßig Richtung Weltmeistertitel verlaufen. Als Sie 16 waren, wurden sie aus der Jugendmannschaft von Bayer Leverkusen aussortiert. Haben Sie zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch an Ihren Erfolg geglaubt?

An den Erfolg habe ich geglaubt, auch immer an mich, aber halt nicht an diesen persönlichen Erfolg. Mit 16 Jahren, als ich dann bei Fortuna Düsseldorf spielte, hieß mein Ziel Regionalliga. Ich wollte vom Fußball irgendwie leben können und noch irgendetwas nebenbei machen, damit es reicht. Die Atmosphäre bei Regionalligaspielen von Fortuna Düsseldorf war schon fantastisch, das war mein Ziel. Was darüber hinaus kam, damit konnte ich ja nicht rechnen.

Stimmt es, dass Sie nach der Ausmusterung in Leverkusen begonnen haben, Tagebuch zu schreiben?

Tagebuch ist ein großer Begriff. Ich habe einfach nach jedem Spiel ein paar Gedanken niedergeschrieben. Das hat mir damals mein Trainer geraten, weil er sich an die Spiele seiner Kindheit nicht mehr richtig erinnern konnte. Wenn ich jetzt noch einmal zurückblättere, etwa zum Jahr 2007, lese ich Sachen, die ich manchmal fast schon vergessen hatte. Das ist einfach schön.

Was schreiben Sie denn so auf?

Nicht die Aufstellung oder wer die Tore geschossen hat, eher bestimmte Momente. Jeder kennt das doch, wenn einem Bilder im Kopf bleiben, nicht mal wichtige, sondern ganz banale Sachen. Man hat heute noch manches Bild vor Augen, das man als Kind gesehen hat, obwohl dieser Moment gar nicht besonders war. Immer wenn ich solche Bilder sehe, bei denen ich denke, dass sie irgendwie krass sind - das kann zum Beispiel sein, wenn ich bei einem Spiel zu den Fans gucke - dann schreibe ich solche Momente halt auf.

Inwiefern hilft es Ihnen, wenn Sie das später noch einmal lesen?

Es hilft mir nicht. Aber ich bin dann einfach froh, dass ich es gemacht habe. Weil es eine wunderschöne Erinnerung ist, an die beste Zeit, die du haben kannst.

Wie wichtig ist denn Ihrer Meinung nach Erinnerung im Profifußball?

Ich finde es ganz wichtig, dass man immer weiß, wo man herkommt, was man alles für die Karriere gemacht hat, wie sie entstanden ist. Ich weiß, dass ich verdammt viel Glück hatte, aber auch, dass ich viel Ehrgeiz habe und richtig viel dafür getan habe - und dass der Erfolg, auch wenn das Glück mit herein spielt, trotzdem kein Zufall ist. Das Buch begleitet das ganz gut über die sieben Jahre.

Was haben Sie denn vom WM-Finaltag aufgeschrieben?

Noch nichts.

Wollen Sie das noch nachholen?

Ja, klar. Ich lasse das erst einmal ein bisschen sacken, und dann setze ich mich hin.

Kramer bejubelt seinen Treffer im Bundesliga-spiel gegen Stuttgart. Foto: Getty Images
Leistungsträger bei MönchengladbachBild: Getty Images

Stehen in Ihrem Tagebuch schon Saisonziele mit Borussia Mönchengladbach?

Auch noch nicht. Ich muss erst die WM nachholen, mein erstes Länderspiel, und dann… mal sehen.

Was können Sie mit dem Team erreichen?

Wir haben eine gut funktionierende Mannschaft, auch in der Breite. Es ist eine ganze Menge möglich. Ich fand, dass wir in der vergangenen Saison eine überragende Serie gespielt haben, sowohl in der Hin-, als auch in der Rückrunde. In der Hinserie haben wir vielleicht ein paar Punkte zu viel, in der Rückserie ein paar zu wenig geholt, aber insgesamt gleicht sich das aus. 55 Punkte in der deutschen Bundesliga, ich weiß ich nicht, ob wir das toppen können. Das wird ganz schwer. Wenn wir da noch einmal herankommen, haben wir, denke ich, alles richtig gemacht.

Einer meiner Kollegen hat neulich bei einem Wettanbieter zehn Euro darauf gesetzt, dass Gladbach Meister wird. Was glauben Sie, wieviel würde er dafür bekommen?

320?

1000 Euro. Das lohnt sich, oder?

Naja, ich weiß nicht. Wenn Gladbach Meister wird, hat es sich gelohnt, aber sonst sind die zehn Euro verschenkt. Also, mehr als zehn Euro würde ich auch nicht darauf setzen.

Christoph Kramer steht bis 2017 beim Bundesligisten Bayer Leverkusen unter Vertrag, spielt aber seit Beginn der Bundesliga-Saison 2013/14 auf Leihbasis für Borussia Mönchengladbach. Der 23 Jahre alte Mittelfeldspieler gab sein Länderspieldebüt im Mai 2014 im Freundschaftsspiel gegen Polen. Nachträglich wurde Kramer dann in den vorläufigen und schließlich auch in den endgültigen WM-Kader für Brasilien berufen. Bei der WM spielte Kramer zweimal: Im Achtelfinale gegen Algerien (2:1 n.V.) wurde er in der 109. Minute eingewechselt. Im Finale gegen Argentinien (1:0 n.V.) rückte er kurzfristig in die Startelf, weil sich Sami Khedira beim Aufwärmen für das Spiel verletzte.

Das Interview führte Constantin Stüve.