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Kreditaffäre Wulff: Freundschaft oder Filz?

22. Dezember 2011

Zwischen Regierenden und Managern gibt es oft erstaunliche Verbindungen. Eine dieser Verbindungen aus seiner Zeit als Ministerpräsident von Niedersachsen bringt nun Bundespräsident Christian Wulff in Bedrängnis.

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Bundespräsident Wulff mit 'Freund' Maschmeyer (Archivfoto: dapd)
Bundespräsident Wulff mit "Freund" Maschmeyer

Die einen nennen es "Filz" und sehen darin die Ursache für Korruption, für andere ist es schlicht und ergreifend ein wichtiger Baustein für die eigene Karriere. Und in Köln ist es gar zur Legende geworden: Der "Kölsche Klüngel", wie es dort heißt, gilt als fester Bestandteil der politischen Kultur in der Millionenstadt.

"Geld und Macht ziehen sich an"

Carsten Maschmeyer gründete das Unternehmen AWD (Foto: dpa)
Carsten Maschmeyer gründete das Unternehmen AWDBild: picture-alliance/ dpa

In Köln gilt dabei das Grundprinzip: "Man kennt sich, man hilft sich". Ein Satz, der sich auch auf die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover und den Freundeskreis von Bundespräsident Christian Wulff übertragen lässt. Der Unternehmer Egon Geerkens gilt als "väterlicher Freund" von Christian Wulff. Den Hauskredit, den Wulff von Geerkens Ehefrau Edith erhalten hat, kann man als einen solchen Freundschaftsdienst ansehen. Das Ehepaar Geerkens muss dabei nicht zwangsläufig politische oder wirtschafliche Vorteile aus dieser Verbindung gezogen haben. Der Bonner Parteienforscher Professor Gerd Langguth sieht eher ein anderes Motiv: "Es gibt immer Leute, die wollen in der Nähe der Macht sein", sagt Langguth. "Gerade in so einer Landeshauptstadt wie Hannover, da ist der Ministerpräsident eine wirkliche Größe. Mit dem bekannt zu sein, aufs Sommerfest von ihm eingeladen zu werden - das sind alles Sachen, die sind für bestimmte Leute ausgesprochen wichtig."

Oligarch, Strippenzieher – oder einfach nur "guter Freund"?

Parteienforscher und Politologe Gerd Langguth von der Universität Bonn (Foto: picture alliance/ZB)
Parteienforscher und Politologe Gerd Langguth von der Universität BonnBild: picture-alliance/ZB

Die Nähe zur Macht – das scheint es auch zu sein, was den Unternehmer Carsten Maschmeyer antreibt. Sein Name wird inzwischen fast ebenso häufig wie der von Geerkens genannt; Maschmeyer gilt als besonders gut vernetzt in Hannover. Er ist Finanzunternehmer und Gründer des Unternehmens AWD; sein Vermögen wird auf etwa 650 Millionen Euro geschätzt. Damit hat er genügend Mittel für den einen oder anderen Freundschaftsdienst. So beteiligte sich Maschmeyer 1998 am Landtagswahlkampf des späteren Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Rund 330.000 Euro soll er für eine Reihe von Anzeigen in Tageszeitungen ausgegeben haben. Aber nicht nur dem SPD-Politiker Schröder sprang er bei; auch für Christian Wulff, der als CDU-Mitglied politisch einer anderen Fraktion angehört, machte Maschmeyer offenbar Geld locker. So soll er im Herbst 2007 eine Anzeigenkampagne für ein Buch von Christian Wulff finanziert haben - allerdings ohne dass Wulff darüber informiert worden wäre.

Netzwerke stärker hinterfragen

Dass Bundespräsident Christian Wulff jetzt von den Freundschaften aus seiner Zeit in Hannover eingeholt wird, mag ihn selbst am meisten überraschen, denn vermutlich sieht er darin gar nicht Anrüchiges. Und auch Juristen dürften dort wohl nichts Strafbares entdecken, glaubt Parteienforscher Gerd Langguth: "Die politischen Prozesse sind ja meistens so komplex und so kompliziert, dass da einzelne Interessen gar nicht so ohne weiteres umgesetzt werden können. Ich bin absolut sicher, dass zum Beispiel Herr Geerken keinen wirtschaftlichen Vorteil von seiner Verbindung mit Christian Wulff hatte." Netzwerke wie das von Hannover gibt es weiterhin und wird es wohl auch immer geben – sich mit anderen zu vernetzen ist einer der grundlegenden Tipps für alle, die Karriere machen wollen. Christian Humborg, Geschäftsführer der Anti-Korruptionsorganisation "Transparency International" fordert allerdings, Netzwerke stärker zu hinterfragen: "Wichtig ist immer: Wozu dienen Netzwerke, wie offen sind Netzwerke? Man muss auch vorsichtig sein, dass man nicht alle Netzwerke, die es überhaupt gibt, verdammt. Entscheidend ist allerdings, welche Personen da drin sind und ob sich aus den Funktionen, die diese Personen haben, dann auch eine besondere Verantwortung ergibt."

Bundespräsident sollte Vorbild-Funktion erfüllen

Auch den Umgang des Bundespräsidenten mit den Ereignissen von Hannover kritisiert Humborg: "Eine Grundregel, die wir allen Entscheidungsträgern empfehlen: Transparenz herzustellen über das, was man tut. Weil das ein vernünftiger Indikator sein kann, ob das zu verantworten ist, was man da macht." Der Geschäftsführer von Transparency International sieht Wulff dabei in einer besonderen Verantwortung; er müsse aufpassen, das Amt des Bundespräsidenten nicht zu beschädigen: "Man muss sich überlegen, was wäre, wenn dieses Verhalten auf einen Oberamtsrat zutreffen würde. Und ich glaube, man könnte sicher sein, dass dieser Oberamtsrat dann auch mit einer Untersuchung rechnen müsste. Und man muss dieses Verhalten in Relation setzen zu dem, was ein Bundespräsident macht, der de facto ja so etwas wie der oberste Dienstherr aller Beamtinnen und Beamten ist."

Autor: Jörg Brunsmann
Redaktion: Regina Brinkmann