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Putins Karriere bei "Geeintes Russland"

14. April 2008

Gut drei Wochen vor dem Präsidentenwechsel in Moskau hofiert die Kremlpartei "Geeintes Russland" auf ihrem Parteitag ihren künftigen Chef: Wladimir Putin. Dabei verfügt er nicht einmal über ein Parteibuch.

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Präsident Putin sitzt vor einem überdimensionalen Parteilogo (1.10.2007, Quelle: AP)
Kleiner Mann ganz groß - Putin soll Parteivorsitzender werdenBild: AP

Bei dem Parteitag (14./15.04.2008) wird nach Ansicht von Experten ein weiterer wichtiger Baustein in der "Operation Machtwechsel" in Russland vollzogen. Auf dem aufwendig inszenierten Parteikongress in Moskau macht der bisherige Parteichef Boris Gryslow für Wladimir Putin Platz. Gryslow war als Vorsitzender der stärksten Dumafraktion auch Dumavorsitzender. In der Vergangenheit hatte er die Funktion der Staatsduma mit den Worten umschrieben, sie sei kein Ort für Diskussionen.

Noch-Vositzender Boris Gryslow wird den Parteitag eröffnen (2.12.2007, Quelle: dpa)
Noch-Vositzender Gryslow wird den Parteitag eröffnenBild: picture-alliance/ dpa

Vorsitzender ohne Parteibuch?

Das Parteibuch hat der 55-jährige Putin bisher abgelehnt. Und schmeichelhaft äußerte er sich bisher auch kaum über die knapp zwei Millionen Mitglieder starke Organisation. Die Partei habe keine klare Linie, sei eine Truppe von Opportunisten, der es an Kampfeswillen und Idealen fehle. "Das Ziel dieser Menschen ist nicht das Wohl des Volkes, sondern persönliche Bereicherung", schimpfte Putin im November vor Straßenarbeitern in Krasnojarsk. "Aber etwas Besseres haben wir nicht", schob er entschuldigend nach.

Dennoch, wenn Putin am 7. Mai aus dem Kreml ausscheidet, solle die Partei ihm die Rolle des “nationalen Führers“ sichern, schrieb die Moskauer Zeitung "Kommersant". Der neue Präsident Dmitri Medwedew will Putin nämlich am 8. Mai auch zum Ministerpräsidenten ernennen. Das Riesenreich erlebt erstmals überhaupt einen solchen Übergang, bei dem der scheidende Staatschef die Zügel der Macht nicht aus der Hand gibt. Putin kann als künftiger Regierungschef auf die Zweidrittelmehrheit von Geeintes Russland in der Staatsduma bauen. Auf sie konnte er auch als Präsident bauen. Damit ist er praktisch unangreifbar. Noch dazu, weil er die Gründung der Partei im Jahre 2002 durch das Zusammengehen der Blöcke "Vaterland - Ganz Russland" und "Einheit" befürwortet hatte. Damit kann er auf die Loyalität der Abgeordneten bauen.

Präsident Putin läßt sich die Macht nicht nehmen(25.1.2008, Quelle: dpa)
Er läßt sich die Macht nicht nehmenBild: picture-alliance/dpa

Starker Regierungschef

Eine russische Matrioschka mit Putin und Medwedew als Puppen (28.2.2008, Quelle: AP)
Was steckt wirklich in Medwedew?Bild: AP

Putin und der gewählte Wunschnachfolger Dmitri Medwedew haben stets deutlich gemacht, dass genügend Machtbefugnisse für beide vorhanden seien. Dennoch beginnt im Kreml ein Wettrennen um die wichtigsten staatlichen Kommunikationsnetze und Zuständigkeiten. "Wenn Medwedew nicht nur eine Marionette sein will, sondern ein richtiger Präsident, dann muss er seine eigenen Quellen und Denkfabriken aufbauen", schreibt das russische Nachrichtenmagazin "The New Times".

Mit seinem Umzug ins Weiße Haus - dem Sitz des Regierungschefs in Moskau - muss Putin die Kontrolle über den Geheimdienst, das Verteidigungs- und das Innenministerium, sowie die Außenpolitik an Medwedew abgeben. Doch der 55-Jährige hat die Weichen für seine weitere Machtausübung gestellt - Parteivorsitzender und gleichzeitig Regierungschef. Das verleiht Putin mehr politisches Gewicht und Autonomie als es bisher je ein Regierungschef in Russland hatte. Denn gerade unter Putin konnten die Regierungschefs kaum eigene Positionen entwickeln. Der bisherige Regierungschef Viktor Subkow spielte im politischen Leben nur eine marginale Rolle.

Abgeschrieben - bisheriger Regierungschef Viktor Subkow (13.9.2007, Quelle: AP)
Abgeschrieben - bisheriger Regierungschef Viktor SubkowBild: AP

Unlängst genehmigte der Präsident Putin dem baldigen Regierungschef Putin laut der kremlkritischen Zeitung "Nowaja Gaseta" zur Sicherheit noch einen Stab für Öffentlichkeits- und Pressearbeit. Das hat das Weiße Haus bisher noch nicht erlebt - 185 Mitarbeiter für Putin. Damit werde Medwedew praktisch von allen Seiten umzingelt, kommentierte das Blatt weiter.

Parteitag mit weitreichender Folge

Experten rechnen fest damit, dass Putin mit oder ohne Parteibuch eine führende Funktion einnimmt. "Wenn er die Partei führt, wird diese unabhängiger als bisher von der Machtvertikale des (neuen) Präsidenten", sagt der Politologe Stanislaw Belkowski. "Putin ist das Gesicht der Partei." Andere Experten vermuten, dass Putin schon aus Gründen des Renommées das Amt übernehmen werde, weil ihm das zusätzliche Medienpräsenz sichere. "Er wird so das Parlament und die regionalen Eliten noch besser kontrollieren können", sagt der Direktor des Moskauer Zentrums für Polittechnologie, Alexej Makarkin.

Erwartet - der Neue und der Alte. (30.12.2007, Quelle: AP)
Erwartet - der Neue und der Alte.Bild: AP

Für Dienstag rechnen die Mitglieder von "Geeintes Russland" mit dem Kommen von Medwedew und Putin. Und noch ein weiterer Gast hat sich angekündigt: der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der sich zu einem Arbeitsbesuch in Moskau aufhält. (vg)

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